Folia Canonica 7. (2004)

STUDIES - Helmuth Pree: Der Rechtscharakter des kanonischen Rechts und seine Bedeutung für die Kirche

DER RECHTSCHARAKTER DES KANONISCHEN RECHTS 53 zu fassen. Trotz mancher Unterschiede im Detail ist den Vertretern dieser Rich­tung eine technisch-pragmatische Auffassung von Recht gemeinsam. Theologi­sche Werte liegen dem Recht zugrunde, dem Recht selbst kommt aber in keiner Weise theologische Qualität zu. Theologie und Recht werden strikt getrennt, das ius divinum in seiner Bedeutung stark relativiert. Zwar wird sowohl ein Theolo­gismus als auch ein Legalismus vermieden (erklärtes Ziel z. B. bei L. Örsy), aber das Recht scheint jeden Eigenwert zu verlieren, insofern es ganz den sich ständig ändernden pastoralen Bedürfnissen untergeordnet wird (Pastoralismus). Ge­rechtigkeitsanforderungen als Kriterien von Recht werden nicht berücksichtigt. D. h.: Der Rechtscharakter ist radikal in Frage gestellt, wenn nicht weithin sogar beseitigt. (2) Für die Vertreter der sog. Münchener Schule (K. Mörsdorf, W. Aymans, A. Rouco Varela, E. Corecco - dem Ansatz nach auch R. Sobanski) ist die These vom kanonischen Recht als theologischer Wirklichkeit14 kennzeichnend. Es kann hier nur auf einige Hauptthesen des Vaters dieser Richtung, K. Mörsdorf, bezug genommen werden: Dessen Bemühen war es, bereits vor dem Vat II - und insofern bahnbrechend - die Sohm’sche These dadurch zu widerlegen, dass das kanonische Recht theologisch grundgelegt, ja als eine im Wesen der Kirche selbst verankerte Größe ausgewiesen und somit der Zusammenhang zwischen Kirchenrecht und Theologie auf Grund innerer Notwendigkeit dargetan wird. Mörsdorf verankert die rechtliche Struktur der Kirche in der Hierarchie: „Die rechtliche Struktur der Kirche ist grundgelegt in ihrem heiligen Ursprung aus dem Gottmenschen und der in ihr waltenden heiligen Herrschaft... In der Kirche herrscht der Wille ihres Stifters... als der Wille des Hauptes, durch das die Gläu­bigen zur Gemeinschaft des neuen Gottesvolkes verbunden sind.“14 15 Das Recht selbst verankert Mörsdorf im Wort und Sakrament als den Auf­bauelementen der Kirche16: „Rechtlichen Charakter hat die Wortverkündigung der Kirche dadurch, dass sie in der Vollmacht des Herrn (Hervorhebung im Ori­ginal) geschieht. Der Herr hat den Anspruch Gottes in einer Weise gestellt, dass 14 K. MÖRSDORF, Kanonisches Recht als theologische Disziplin, in AkKR 145 (1976) 45-58. 15 E. ElCHMANN — K. Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex Iuris Canonici, I. Bd. 111964, 13. Vgl. auch K. MÖRSDORF, Zur Grundlegung des Rechtes der Kir­che, in E. Schlink-H. VöLk (Hg.), Pro Veritate. Ein theologischer Dialog (FS L. Jaeger, W. Stählin), Münster-Kassel 1963, 224-248, auch abgedruckt: W. Aymans -K. T. Geringer - H. SCHMITZ (Hg.), Klaus Mörsdorf Schriften zum kanonischen Recht, Paderborn-Mün- chen-Wien—Zürich 1989, 21-45., K. MÖRSDORF, Altkanonisches „Sakramentsrecht''? Eine Auseinandersetzung mit den Anschauungen Rudolph Sohms über die inneren Grundlagen des Decretum Gratiani, in: Studia Gratiana I, Bologna 1953, 483-502, auch abgedruckt: Schrif­ten zum kanonischen Recht, 3—20. 16 K. MÖRSDORF, Wort und Sakrament als Bauelemente der Kirchenverfassung, in AkKR 134 (1965) 72-79.

Next

/
Oldalképek
Tartalom