Folia Canonica 6. (2003)

STUDIES - Peter Landau: Seelsorge in den Kanonessammlungen von der Zeit der gregorianischen Reform bis zu Gratian

78 PETER LANDAU VI. Gratians Auseinandersetzung mit den Fälschungen Gratian hat in sein Dekretbuch sowohl die promonastischen Fälschungen Pseudo-Bonifatius und Pseudo-Gregorius als auch die antimonastischen Pseu- do-Nicaenum und Pseudo-Eugenius aufgenommen,137 zudem vier Fragmente des Hieronymus, in denen der Status der Mönche scharf von dem der Kleriker abgegrenzt wird,138 ferner die tendenziell antimonastischen Dekretalen Alexan­ders II. und Paschalis1 II.139 und schliesslich auch das Verbot des ersten Lateran­konzils 1123 mit der Inskription: „Item Calixtus papa.“140 Man möchte zunächst vermuten, dass sich Gratian angesichts der Fülle von Autoritäten der Konzilien und Päpste seitNicäa für ein Seelsorgeverbot in bezug auf die Mönche ausspre­chen müsste. Das Gegenteil trifft jedoch zu: Gratian billigt den Mönchen aus­drücklich das Recht zur Predigt, Taufe, Spendung des Busssakraments, Verge­bung der Sünden und Genuss der Beneflzien zu.141 Er erreicht dieses Ziel zu­nächst durch eine Art teleologischer Reduktion der Verbote, vor allem der be­sonders gewichtigen , Auctoritas Nicaenae sinodi1.142 Das Verbot etwa der Zele- bration einer Bestattung solle nur verhindern, dass die Mönche aus dem Kloster ausschwärmen würden; es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand bei ei­nem Kloster bestattet werden wolle und dies von einem Mönch organisiert wer­de. Ferner seien die Verbote gegen seelsorgerische Aktivitäten der Mönche im Gebiet fremder Parochien gerichtet; insofern seien es Verbote, die alle Priester beträfen.143 Allerdings will Gratian die seelsorgerische Aktivität der Mönche nur unter zwei Voraussetzungen gestatten; sie müssen dazu durch den Bischof mit Konsens des Abts bevollmächtigt und überdies von dem ihnen anvertrauten Kirchenvolk ausgewählt sein: „a populo fuerint electi et ab episcopo cum con­sensu abbatis ordinati.“144 Nach Gratian beruht die potestas der Mönche zur 137 C. 16, q.l, c.25,und C.16, q.l, c.24 sowie C.16, q.l, c.l und C.16, q.l, c.8. 138 C.16, q.l, c.4-7. 139 C.16,q.l,c.ll und C.16,q.l,C.9. 140 C.16,q.l,c.lO. 141 Diet. p. C. 16, q. 1, c. 19: „Monachi autem, et si in dedicatione sui presbiteratus (sicut et ce­teri sacerdotes) predicandi, baptizandi, penitenciam dandi, peccata remittendi, beneficiis ec­clesiasticis perfruendi rite potestatem accipiant, ut amplius et perfectius agant ea,que sacerdo­talis offitii esse sanctorum Patrum constitutionibus conprobantur...” 142 Diet. p. C. 16, q. 1, c. 12: „Auctoritas illa Nicenae sinodi prohibet monachos de monasteri­is exire, et per capellas sepulturas mortuorum celebrare, confluere videlicet more clericorum ad cuiuslibet exequias celebrandas. Ceteram si apud monasterium aliquis semetipsum tumu­lare voluerit, non est prohibendus.” 143 Diet. p. C. 16, q. 1, c. 19 : „Quod vero penitenciam dare prohibentur, inde est, quod nulli sa­cerdotum licet parrochianum alterius ligare vel solvere.” 144 Diet. p. C. 16, q. 1, c. 19: „... tamen exeeutionem suae potestatis non habent, nisi a populo fuerint electi, et ab episcopo cum consensu abbatis ordinati.”

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