Folia Canonica 6. (2003)

STUDIES - Helmuth Pree: Die politische und gewerkschaftliche Betätigung geistlicher Personen im CIC (1983) und im CCEO (1990)

DIE POLITISCHE UND GEWERKSCHAFTLICHE BETÄTIGUNG 15 Die Predigt - sie gehört zu den vorrangigsten Pflichten der geweihten Hirten (can. 162 CIC)- darf somit nach den einschlägigen Regeln der beiden Gesetzbü­cher legitimerweise politische Inhalte haben, insoweit diese Inhalte Lehre der Kirche sind und ausschließlich dem Ziel der Auferbauung des Reiches Gottes dienen, nicht jedoch, wenn sich die politischen Inhalte (Partei-)Ideologien, poli­tischen Interessen, Strömungen, Gruppierungen oder Parteien verdanken und die Predigt daher wenigstens auch in deren Dienst geschieht. Als wéiteres Kriterium lassen die beiden Normen die Unterscheidung zwi­schen Verkündigung und konkreter, aktiver Umsetzung in der Tagespolitik er­kennen: Demgemäss ist Aufgabe und Ziel der Predigt grundsätzlich die Verkün­digung, nicht hingegen, konkrete politische Einzellösungen, Maßnahmen und Entscheidungen (z. B. person- oder projektbezogene Aussagen) zu präsentieren, also auf der Anwendungsebene der Politik selbst konkret aktiv zu werden. Die Predigt muss vielmehr die Grundsätze25 und Werte vermitteln, die jeweils vom Evangelium und von der Lehre der Kirche her, d. h. aus der Sicht von Glaube und Moral maßgeblich sind. Bei allen darf sie die applikative Ebene auch der Tages­politik und konkreter politischer Maßnahmen nicht ausblenden. Angesichts kon­kreter moralwidriger politischer Maßnahmen oder ungerechter, z. B. menschen­rechtswidriger Strukturen muss die Predigt als kritisches Korrektiv gegenüber der Politik auftreten. Dabei muss sie ein Gegenüber zu allen politischen Strömungen bleiben und darf sich nicht mit partikularen Interessen partéi- oder verbandspoliti­scher Art identifizieren. Es muss immer erkennbar bleiben, dass das einzige „In­teresse”, für das der Prediger eintritt, die Sache des Evangeliums ist. Für die Armen im dargestellten weiten Sinne Partei zu ergreifen, gehört zu diesem Grundauftrag. Der Prediger soll aber die applikative Ebene dort nicht be­treten, wo es nicht um die Anwendung der Grundsätze, Inhalte und Gesichts­punkte gem. can. 747 §2 CIC i.V.m. den beiden zitierten Spezialregelungen geht, sondern um solche politische Fragen, die spezielle Kenntnisse der Sachlage, Sachverstand und politische Erfahrung erfordern, und wo auch Christen häufig legitimerweise zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen können. 3. Das Ziel katholischer Erziehung Wahre Erziehung ist, über Wissensvermittlung hinaus, auf das erzieherische Ziel einer umfassenden Persönlichkeitsfonnung gerichtet, der zufolge der junge Mensch in die Lage versetzt wird, seine körperlichen, moralischen und geistigen Anlagen harmonisch zu entfalten, tieferes Verantwortungsbewusstsein und den rechten Gebrauch der Freiheit zu erwerben und befähigt wird, am sozialen Le­25 Vat II CD 12 rechnet zur Lehraufgabe des Bischofs u.a.: „Schließlich sollen sie (die Bi­schöfe, Anm. d. Vf.) die Grundsätze darlegen, nach denen die überaus schwierigen Fragen über Besitz, Vermehrung und rechte Verteilung der materiellen Güter, über Krieg und Frieden sowie über das brüderliche Zusammenleben aller Völker zu lösen sind”.

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