Folia Canonica 6. (2003)

STUDIES - Helmuth Pree: Die politische und gewerkschaftliche Betätigung geistlicher Personen im CIC (1983) und im CCEO (1990)

DIE POLITISCHE UND GEWERKSCHAFTLICHE BETÄTIGUNG II ordnet wird, gehören die sittlichen Grundsätze im umfassenden Sinn dieses Wortes, sei es, dass sie in einem Zusammenhang mit der Offenbarung stehen oder nicht (also auch das sog. Naturrecht bzw. natürliche Sittengesetz), nicht nur aus dem Bereich der Individualmoral, sondern auch der Sozialmoral (womit die politische Sphäre tangiert ist) an. Der mit den Worten indicium ferre umschrie­benen Kompetenz ist die Beurteilung jedweder (quibuslibet) menschlicher Din­ge im Einzelfall zugeordnet, und zwar unter den Gesichtspunkten der Würde bzw. der fundamentalen Rechte der menschlichen Person und der salus anima­rum. Somit umgreift der Anspruch gem. can. 747 §2 CICI can. 595 §2 CCEO prinzipiell alle Fragen sowohl der allgemeinen wie der speziellen Moraltheolo­gie.13 Die explizite Nennung der principia moralia entspringt dem Anliegen der Kirche, die Kluft zwischen religiöser Einstellung und täglichem Leben, zwi­schen Glaube und Moral schließen zu helfen.14 Hier erhebt sich die Frage nach der Reichweite und rechtlichen Qualität der von der Kirche beanspruchten Kompetenz gem. can. 747 §2 CICI can. 595 §2 CCEO. Ist die Kompetenz auf den Jurisdiktionsbereich der Kirche (vgl. can. 11 CICI can. 1490 CCEO) beschränkt oder reicht sie darüber hinaus? Und: falls die­se Frage im Sinne der zweiten Alternative zu beantworten ist: Übt die Kirche l3N. Lüdecke, Grundnormen (Anm. 11) 174-176. Wie der Autor vermerkt, bewirkt die Änderung in der Umschreibung des Kompetenzkriteriums von der traditionell negativen Ver­sion „ratione peccati" in die positive Wendung ,jalus animarum" bzw. „iura fundamentalia” eine Ausweitung des Kompetenzanspruchs der Kirche, weil nunmehr nicht nur die negative Abgrenzungszuständigkeit ausgesprochen ist, sondern auch „Urteile im Sinne positiver Vor­gaben” nicht ausgeschlossen sind (182). Dabei ist freilich zu bedenken, dass der Wechsel von der negativen zur positiven Formulie­rung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abkehr der Kirche von jeder Form einerpoie- stas (directa oder indirecta) in temporalibus zu sehen ist. Die negative Wendung „ratione peccati” war das prägende Merkmal der Bellarminschen Doktrin von der potestas indirecta in temporalibus, die auf der stillschweigenden Voraussetzung einer Einheitlichkeit des politi­schen bzw. staatlichen mit dem religiösen Gemeinwesen ausgeht: vgl. P. Mikat, Art. „Kirche und Staat. III. Das Verhältnis von Kirche und Staat aus katholischer Sicht”, in StLex III71987, 474-482, 477; K. Schlaich, §44. Der Öffentlichkeitsauftrag der Kirchen, in HdbStKR II 21995, 131-180, 148-155;G. GÖBEL.Dűí Verhältnis von Kirche und Staat nach dem Kodex Iuris Canonici des Jahres 1983, Berlin 1993, insb. 119-136; J. FIergenröther, Katholische Kirche und christlicher Staat in ihrer geschichtlichen Entwickelung und in Beziehung auf die Fragen der Gegenwart, Freiburg i. B. 91873, 379-392; K. Mörsdorf, Art. „Kirche und Staat”, in LThK VI21961,288-300,295-297; J. B. Haring, Grundzüge des katholischen Kir­chenrechtes, Graz 21916, 45-47. Im weiten Kompetenzanspruch der Kirche gemäß c. 747 § 2 CIC entspricht folglich keine über den Raum der Kirche hinauswirkende jurisdiktionellepotestas mehr, sondern die genuin kirchliche Kompetenz des annuntiare und iudicium ferre. 14 Vgl. Vat II DH 14; GS 41 b; GS 43 a; Donum Veritatis 16; Veritatis Splendor Nr. 4; 37; 39; 53. Vgl. E. Tejero, in Comentario Exégetico II, 37-39 (c. 747); C. J. ErráZURIZ M., II ‘‘munus docendi Ecclesiae Diritti e doveri dei fedeli, Milano 1991,41 -45.

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