Folia Canonica 5. (2002)
STUDIES - Peter Landau: Einführung in 'Peter Erdő', Die quellen des Kirchenrechts
206 PETER LANDAU val Canon Law in München fort, zu dessen Advisory Board Peter Erdő gehört. Der unvergessene Stephan Kuttner war für Peter Erdő wie für viele andere Forscher Vorbild und väterlicher Freund - seiner sei auch heute abend an Kuttners Studienort gedacht. In den letzten Jahren sind Bücher über die Quellengeschichte des kanonischen Rechts vor allem in französischer und englischer Sprache erschienen - ich denke an die beiden Bände ,Les sources du droit de P église* bzw. ‘du droit canonique’ des grossen französischen Kanonisten Jean Gaudemet, der im Mai dieses Jahres im hohen Alter von 93 Jahren verstarb,2 und an James Brundage in Kansas mit seinem Buch .Medieval Canon Law‘, das erstmals eine Einführung in der Lingua Franca der heutigen westlichen Welt gibt.3 Aber in deutscher Sprache fehlte eben bisher eine moderne Zusammenfassung, was vielleicht auch dazu geführt hat, dass die Bedeutung des kanonischen Rechts als einer Gmndlage der Weltrechtskultur bei uns nur wenigen bewusst ist. Vielleicht kann Peter Erdős Buch dazu beitragen, dass hier ein Wandel eintritt; es könnte auch dem Verständnis für das Kirchenrecht bei den Theologen dienen, den katholischen und vielleicht auch den protestantischen - in beiden Fakultäten wissen heute viele Theologen herzlich wenig vom Kirchenrecht, und das hat negative Auswirkungen bis in das Ringen um ökumenische Gemeinsamkeiten. So wissen viele Theologen nicht, dass das mittelalterliche Corpus Iuris Canonici auch heute noch in einigen Teilen geltendes Kirchenrecht der evangelischen Kirchen ist, da diese niemals ein modemes Gesetzbuch wie die katholische Kirche im Codex Iuris Canonici erhalten haben. Aber kommen wir nun zu den Spezifika des neuen Buches von Peter Erdő, das ich heute abend vorstellen möchte. Es weicht in manchem nicht unerheblich von früheren Darstellungen ab. Zunächst in der Epocheneinteilung. Erdő kennt 4 große Epochen in der Geschichte des Kirchenrechts: 1. ) die Zeit des Alten Rechts vom Anfang der christlichen Kirche bis 1140, 2. ) das Zeitalter des klassischen Kirchenrechts von 1140 bis 1563, d.h. von der Entstehung des Decretum Gratiani, des Grundwerks der Wissenschaft vom kanonischen Recht, bis zum Konzil von Trient, das eine einschneidende Reform der Kirche und ihres Rechts brachte, 3. ) das Zeitalter des Tridentinischen Kirchenrechts von 1563 bis 1917, d.h. bis zum Jahr der Promulgation des Codex Iuris Canonici durch Papst Benedikt XV, schliesslich 4. ) das Zeitalter der Kodifikationen seit 1917, in dem die katholische Kirche den Codex von 1917 nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil durch einen neuen 2 J. GAUDEMET, Les soures du droit de l’église en occident du Ile au Vile siècle, Paris, 1985; Ders., Les sources du droit canonique VIIL-XXe siècle, Paris 1993. 3 J. Brundage, Medieval Canon Law, London 1995.