Folia Canonica 5. (2002)
STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht
GEWALTENUNTERSCHEIDUNG STATT GEWALTENTRENNUNG 199 schieden wird. Soweit der Kleriker selbst die Klage einreicht, wird dies häufig sogar der Hintergrund sein. Auch im kanonischen Recht sollte der Grundsatz gelten, daß ein effektiver Rechtsschutz und ein faires Verfahren eine schnelle Entscheidung erfordern.113 Daher sollte für dieses Verfahren immer der Weg gewählt werden, der sicherstellt, daß der Fall einerseits so gut wie möglich untersucht, aber andererseits auch so schnell wie möglich entschieden und so wenig „Skandal” wie möglich verursacht wird. Alle diese Gesichtspunkte betreffen letztlich auch wieder die Frage des Seelenheils. Ein grundsätzlicher Vorrang des gerichtlichen Verfahrens erscheint daher nicht angebracht. cc) Ein weiteres Beispiel für die Überschneidung richterlicher und ausführender Gewalt ist das Vorgehen, wenn im Rahmen eines Ehenichtigkeitsverfahrens Zweifel daran auftauchen, ob die Ehe vollzogen worden ist. Die entsprechende ETntersuchung gemäß c. 1700 § 2 CIC114 ist dann durch das mit dem Ehenichtigkeitsverfahren befaßte Gericht durchzuführen. Insoweit handelt das Gericht im Ralimén eines Verwaltungsverfahrens.115 Dieses Vorgehen ist aus Gründen der Prozeßökonomie sinnvoll.116 Auch hier gilt also, daß ein Verfahrensweg gewählt wird, der eine möglichst schnelle Klärung des Sachverhaltes ermöglicht. dd) Die Trennung von Ehegatten (cc. 1151 ff. CIC) kann ebenfalls gemäß c. 1692 § 1 CIC sowohl durch Dekret des Diözesanbischofs als auch durch gerichtliches Urteil erfolgen. Es fehlt jedoch eine Vorschrift, wem insoweit ein Wahlrecht zusteht - dem Antragsteller oder dem Diözesanbischof. Nach einer Auffassung steht das Wahlrecht dem Antragsteller zu; dieser könne seinen Antrag sowohl an den Diözesanbischof (dann Verwaltungsverfahren) als auch an das Gericht (dann gerichtliches Verfahren) richten.117 Zuzustimmen ist dieser Auffassung soweit der Antrag an das Gericht gesendet wird. Eine Rechtsverweigerung steht dem Gericht nicht zu. Anders sieht es dann aus, wenn der Antrag an den Diözesanbischof gerichtet ist. Von der Ausübung eines Wahlrechts kann man nur sprechen, wenn dem Antragsteller seine Wahlmöglichkeit bekannt ist; dies wird man kaum unterstellen können. Soweit sich der Diözesanbischof nicht in der Lage sieht, das Verfahren schneller als ein gerichtliches Verfahren und ebenso gründlich durchzufiihren, sollte er den Antrag zur gerichtlichen Entscheidung abgeben. Auch hier muß der Grundsatz gelten, daß dem Antragsteller auf dem schnellsten Wege sein Recht gewährt werden muß. 113 vgl. EGMRNJW 1997, S. 2809 ff. "4Über die Tatsache des Nichtvollzugs entscheidet der Apostolische Stuhl (c. 1698 § 1 CIC); die Auflösung wird ausschließlich durch den Papst (1698 § 2 CIC) gewährt. 115 W. WoESTMANN, Special Marriage Cases, Ottawa 1994, S. 24. 116MK-Lüdicke (Fn. 45) c. 1700 Rn. 2. 117 MK-Lüdicke (Fn. 45) c. 1692 Rn. 4.