Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

182 BERND EICHOLT c) Diese Aufteilung der Funktionen wäre sinnlos, wenn es neben der soeben beschriebenen organisatorischen Funktionentrennung nicht auch eine personel­le Trennung gäbe. Damit ist gemeint, daß grundsätzlich derjenige, der in einer der Gewalten tätig ist, Aufgaben, die einer anderen Gewalt obliegen, nicht durchführen kann (Inkompatibilität).12 Daher darf z. B. ein Richter grundsätz­lich keine Aufgaben der gesetzgebenden oder der vollziehenden Gewalt wahr­nehmen (vgl. § 4 DRiG). Auch dies ist jedoch nur eine Regel - Ausnahmen sind z. B., daß Regierungsmitglieder in aller Regel auch dem jeweiligen Gesetzge­bungsorgan (Bundestag, Landtag) angehören; parlamentarische Staatssekretäre müssen sogar grundsätzlich Mitglieder des Bundestages sein (vgl. § 1 ParlStG). Eine Ausnahme sieht das Gesetz seit 1999 für Parlamentarische Staatssekretäre beim Bundeskanzler vor. 3. Gründe für die Gewaltenteilung a) Der wesentliche Grund für die Gewaltenteilung ist die Machtbeschrän­kung; es soll ein Übergewicht einer Gewalt verhindert13 und die Staatsherrschaft gemäßigt werden.14 Teilweise wird ausdrücklich nicht nur auf die Gefahr eines institutionellen Übergewichts, sondern auch auf die Möglichkeit des Miß­brauchs als Folge persönlichen Versagens oder einfach von Fehlern hingewie­sen; der Entscheidungsspielraum des Einzelnen soll daher möglichst gering sein.15 Man verwendet in diesem Zusammenhang häufig den Begriff „checks and balances” bzw. „Balancierung und Kontrolle”.16 b) Obwohl der folgende Gesichtspunkt systematisch zu dem soeben behan­delten gehört, soll die Bedeutung einer unabhängigen Rechtsprechung geson­dert behandelt werden: Gerichte haben die Beachtung der Grundrechte durch die anderen Gewalten sicherzustellen.17 Deswegen haben sie bei der Kontrolle ins­besondere der vollziehenden Gewalt18 9 eine zentrale Funktion. Dieser Grundsatz wird anhand Art. 19 Abs. 4 GG besonders deutlich, dessen Anwendungsbereich sich jedoch nicht auf Grundrechte beschränkt, sondern der auch einschlägig ist, 12 Stern I (Fn. 10), S. 796. 13 Stern II (Fn. 4), S. 530; Mishra (Fn. 11), ZRP 1998, S. 405. 14BVerfGE 3, 225 (247). 15 Herzog in Maunz-Dürig (Fn. 3), Art. 20 Abschnitt V Rn. 12. 16Herzog a. a. O.; Stem II (Fn. 4), S. 530. 17 Kunig in: I. v. MÜNCH - P. KUNIG, Grundgesetz-Kommentar, Band 1 (Präambel bis Art. 20),41992, Art. 1 Rn. 62. 18 Schmidt-Aßmann in Maunz-Dürig (Fn. 3), Art. 19 Rn. 10. l9Krüger in M. Sachs, Grundgesetz Kommentar, München 21999 (zitiert: Verfasser in Sachs), Art. 19 Rn. 109.

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