Folia Canonica 5. (2002)

STUDIES - Brend Eicholt: Gewaltenunterscheidung Statt Gewaltentrennung im kanonischen Verfassungsrecht

180 BERND EICHOLT „In jedem Staat gibt es drei Arten von Gewalt: die gesetzgebende Gewalt, die vollziehende Gewalt in Ansehung der Angelegenheiten, die vom Völkerrecht abhängen und die vollziehende Gewalt, hinsichtlich der Angelegenheiten, die vom bürgerlichen Recht abhängen ........Ich werde diese letzte die richterliche Gewalt und die andere schlechthin die vollziehende Gewalt des Staates nennen.” Die politische Freiheit des Bürgers ist jene Ruhe des Gemüts, die aus dem Vertrauen erwächst, das ein jeder zu seiner Sicherheit hat. Damit man diese Frei­heit hat, muß die Regierung so eingerichtet sein, daß ein Bürger den anderen nicht zu fürchten braucht. Wenn in derselben Person oder der gleichen obrigkeitlichen Körperschaft die gesetzgebende Gewalt mit der vollziehenden vereinigt ist, gibt es keine Freiheit; denn es steht zu befurchten, daß derselbe Monarch oder derselbe Senat tyranni­sche Gesetze macht, um sie tyrannisch zu vollziehen. Es gibt ferner keine Freiheit, wenn die richterliche Gewalt nicht von der ge­setzgebenden und vollziehenden getrennt ist. Ist sie mit der gesetzgebenden Ge­walt verbunden, so wäre die Macht über Leben und Freiheit der Bürger willkür­lich, weil der Richter Gesetzgeber wäre. Wäre sie mit der vollziehenden Gewalt verknüpft, so würde der Richter die Macht eines Unterdrückers haben...2 2. Ausformung der Gewaltenteilung im Grundgesetz Diese wenigen Sätze beschreiben - auch nach dem heutigen Stand der Lehre - den Begriff der „Gewaltenteilung” sehr gut. Im folgenden soll das Prinzip der Gewaltenteilung vor dem Hintergrund der Rechtslage sowie deren tatsächlicher Ausformung in der Praxis in der Bundesrepublik Deutschland kurz beleuchtet werden: a) Gewaltenteilung bedeutet zunächst, daß es eine funktionale Unterschei­dung der staatlichen Gewalt in gesetzgebende, vollziehende und rechtsprechen­de Gewalt gibt.3 Nicht die Staatsgewalt ist getrennt - es gibt nur eine Staatsge­walt - sondern deren Ausübung.4 Unter der gesetzgebenden Gewalt wird dabei die Fähigkeit der parlamentari­schen Volksvertretung verstanden, Rechtssätze in Gestalt von Gesetzen zu erlas­2 zitiert nach: E. Forsthoff, Montesquieu, Vom Geist der Gesetze Erster Band, Tübingen 1951, S. 214 f. 3 Herzog in T. Maunz - G. DÜRIG u. a., Grundgesetz Kommentar (Loseblattausgabe), München, Stand: November 1997, (zitiert: Verfasser in Maunz-Dürig), Art. 20 Abschnitt V Rn. 14. 4 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung, München 1980, (zitiert: Stem II), S. 533.

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