Circulares litterae dioecesanae a 16-a maji-31-am decembris 1867. ad clerum archi-dioecesis strigoniensis dimissae a principe primate regni Hungariae et archi-episcopo Joanne Simor
Joannes Simor
12 blendung des Menschengeistes und Herzens Verdorbenheit, errang in unbegreiflicher Schnelligkeit den ruhmreichsten Sieg über die namenlose Entartung Roms und Griechenlandes, wie über die rohen Sitten jener barbarischen Völker, unter deren zermalmenden Fuss- tritten das römische Reich zusammenbrach. Wie ein goldstrahlender Luitstrom dringt christliche Lehre mit göttlicher Lie- besgewalt, christliche Gesittung in die Geister und Herzen und in alle Lebensverhältnisse der Menschen, und bildet den ganzen Inhalt und Umfang dessen, was wir heut zu Tage Civilisation nennen, deren Besitz christliche Völker vor allen Anderen unterscheidet. So sehr auch dieses Wort missbraucht werden kann, so unbestreitbar ist Alles, was es Grosses und Gutes, Edles und Erhabenes, Schönes und Wahres enthält, Frucht des Christenthumes. — Jeden einzelnen Menschen ziert nunmehr ein lebhaftes Gefühl seiner eigenen Würde, ein Schatz von Thätigkeit, Beharrlichkeit, Willenskraft, und gleichzeitiger Entwickelung aller seiner Fähigkeiten; Die Frau ist erhoben zu einer Gefährtin des Mannes, und für die Pflicht ihrer Unterwürfigkeit so zu sagen schadlos gehalten durch die Ehrerbietungen, die man ihr reichlich erweist; die süssen und festen Bande der Familie, sind geschützt durch mächtige Bürgschaften der Ordnung und Gerechtigkeit; es gibt ein staunenswerthes öffentliches Gewissen, reich an moralischen Grundsätzen, an Regeln der Gerechtigkeit und Billigkeit, an Gefühlen der Ehre und Würde; ein Gewissen, das den Untergang der Moralität des Einzelnen überlebt, und die Schamlosigkeit des Lasters, nicht jenen Höhepunkt erreichen lässt, auf dem man sie im Alterthum sehen konnte; überall ist eine gewisse Milde der Sitten, die im Kriege grosse Verheerungen vermeidet, und im Frieden, das Leben ruhiger und liebenswürdiger macht; eine tiefe Achtung vor dem Menschen, und sein Eigenthum, welche die Gewaltthätigkeiten der Einzelnen seltener macht, und unter jeder Art politischen Regimentes, zu einem heilsamen Zaume dient, der die Machthaber in Schranken hält; , ein glühender Eifer nach Vervollkommnung in allen Zweigen ; ein unwiderstehliches, bisweilen zwar schlecht geleitetes, immer aber lebendiges Streben, den Zustand der zahlreichen Menschenklasse zu verbessern; ein geheimer Trieb die Schwachen zu schützen, und den Unglücklichen beizustehen: ein Trieb, der manchmal sein Ziel mit wahrhaft edler Gluth verfolg-t, und jedesmal, wenn er kein Ziel und keinen Gegenstand findet, im Herzen der Gesellschaft lebendig bleibt, und da ein Missbehagen und Schmerzgefühl hervorbringt, ähnlich dem der Reue; ein Geist der Annäherung, der Brüderlichkeit und allgemeinen Menschenliebe; ein unerschöpflicher Vorrath von Hilfsquellen, um nicht unterzugehen, sondern sich zu verjüngen, und aus den grössten Krisen sich zu retten; eine grossherzige Ungeduld, die der Zukunft zuvorkommen will, und ein beständiges Drängen und Treiben mit sich bringt, welches bisweilen gefährlich, gewöhnlich aber der Keim grosser Güter, und das Zeichen eines mächtigen Lebensprinzips ist. Das sind die hohen Merkmale, welche die christliche Civilisation bezeichnen, das sind die Züge, welche ihren Rang unendlich weit über alle anderen Civilisationen der alten und neuen Zeit erheben.“ 0 Wohlan, verfolgen wir jetzt die Spuren dieser Civilisation, um sie in ihren Anfän- *) *) Balmes.