AZ ORSZÁGOS SZÉCHÉNYI KÖNYVTÁR ÉVKÖNYVE 1986-1990. Budapest (1994)
II. Az OSZK történetéből és munkájából - Somkuti Gabriella: Az Országos Széchényi Könyvtár elhelyezése 1867-1918 - Die Unterbringung der Széchényi-Nationalbibliothek zwischen 1867-1918
DIE UNTERBRINGUNG DER SZÉCHÉNYI-NATIONALBIBLIOTHEK ZWISCHEN 1867-1918 G. SOMKUTI Der historische Hintergrund dieser Periode ist der im Jahre 1867 zustandegekommene politische Ausgleich zwischen Ungarn und Österreich, die Gründung der Österreich-Ungarischen Monarchie. Dies ermöglichte für Ungarn einen raschen wirtschaflichen Aufschwung, die Entwicklung der Kapitalisierung und des Bürgertums. Der wirtschaftliche Aufschwung hatte seine Auswirkung auch auf dem kulturellen Gebiet. Der Unterrichtsminister der neuen, im Jahre 1867 das Amt antretenden Regierung, József Eötvös, schenkte neben der Reorganisierung des Unterrichtswesens besondere Aufmerksamkeit den Bibliotheken, unter ihnen der Széchényi Nationalbibliothek. Die Bibliothek existierte in dieser Periode im Rahmen des Ungarischen Nationalmuseum als eine Abteilung desselben. Der Leiter (Direktor) der Bibliothek war dem Direktor des Museums untergeordnet. (Weitere Abteilungen des Museums waren im Jahre 1870: die Münzen- und Antiquitätensammlung, Ethnologische Sammlung, Kunstgewerbesammlung, Zoologische und Botanische Sammlung, Fossiliensammlung und Gemäldegalerie.) Die Bibliothek wurde bei den Oberbehörden durch den Direktor des Museums vertreten. Die neue Regierung setzte sich zur ersten Aufgabe, das bis jetzt durch Stiftungen unterstützte Museum und die Bibliothek in eine aus dem Staatsbudget unterhaltene Institution umzuwandeln. Die extra für die Bibliothek gesicherten Summen ermöglichten die Rekatalogisierung des ganzen Bestandes in einer zeitgemässen Form. (Als Muster diente das Fachsystem der Münchener Hof- und Staatsbibliothek.) Im Jahre 1875 stand schon eine modern organisierte Bibliothek den lesern zur Verfügung, mit einem Lesesaal für 80 Personen. Während der vierjährigen Tätigkeit des neuen Direktors, des Historikers Vilmos Fraknói (1875-1879), nahm die Bibliothek eine schwungvolle Entwicklung: bedeutende Bestandsergänzungen und wissenschaftliche Erschliessung der Bestände wurden realisiert. Die unglaublich raschen Bestandsergänzungen verursachten schon in den letzten zwei Jahrzehnten des Jahrhunderts ernste Einräumungssorgen. Die neurlich aufgestellten Sammlungen der Bibliothek (seit 1876 das Archiv, seit 1884 die Zeitschriftenbibliothek) so wie die Zunahme der Pflichtexemplare, besonders nach der Erscheinung des neuen Gesetzes im Jahre 1897, konnte von den Magazinen nicht mehr aufgenommmen werden. Zur fachgemässen Unterbringung der Bücher wurde die Einstellung immer neuerer Regale, später der Einbau von Galerien in den Depositen, notwendig. Diese Massnahmen konnten aber das fundamentale Problem nur zeitweilig lösen. Der Leiter der Bibliothek in dieser Periode (1879-1893), Béla Majláth richtete mehrere Eingaben an den damaligen Museumsdirektor, Ferenc Pulszky (an der Spitze des Museums von 1879-1894) über die schwere Lage der Bibliothek. Als Unterkunft der Bibliothek diente seit 1846 das in klassizisischem Stil gebaute Gebäude, das gleichzeitig auch die Heimstätte des Nationalmuseums war. In dieser Zeitperiode wurden grosse Summen an Innenomamentierung des Gebäudes (Deckenfresken, Stuck-Marmor-Verzierung, bemalte Glasfenster) aufgewendet, aber die Zahl der Räumlichkeiten konnte natürlich nicht vermehrt werden. Die Bibliothek befand sich im ersten Stock in 18 Räumen und besass im Erdgeschoss Zimmer mit wechselnder Zahl, z.B. im Jahre 1902 acht Zimmer. Am Ende des Jahrhunderts zeigte sich auch im Nationalmuseum der katastrophale Raummangel und einige Sammlungen mussten zwangsläufig teilweise ausgesiedelt werden. In dieser wirklich schweren Lage hat der neue Direktor des Museums Imre Szalay (1894-1916) sich zum Ziele gesetzt, ein neues Gebäude zu errichten. Nach seiner Vorstellung wäre der Bau eines neuen Museumspalastes notwendig gewesen für die Beherbergung der Naturhistorischen-Etnographischen Sammlungen: in dem alten Gebäude wären nur die Antiquitätensammlung und die Bibliothek unterbracht. Er kämpfte fest mit den höheren Organen um ein geeignetes Grundstück und dann um entsprechende pekuniäre Deckung zu verschaffen und versuchte auch, das Gewissen der öffentlichen Meinung aufzurütteln. Auch der Plan der Erweiterung des vorhandenen Gebäudes durch neue Flügel tauchte auf. Am Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Zustände in der Bibliothek wirklich unerträglich: die Überfülltheit war so gross, dass die fachgemässe Tätigkeit der Leserdienst in der Bibliothek beinahe unmöglich geworden waren. Die Zahl der Leserplätze erwies sich als ungenügend: um den Wintermonaten mussten die Leser stundenlang auf einen freien Platz warten. (Im Jahre 1905 wurden von 44.000 Besuchern mehr als 200.000 bestandeinheiten benutzt.) Unter der Direktion von László Fejérpataky (18941916) konnte man trotz immer neuerer, innerer Umräumungen die Übersiedlung mancher bestandteile ninct mehr vermeiden. Dazu kam es im Jahre 1912 zum erstenmal. 195