AZ ORSZÁGOS SZÉCHÉNYI KÖNYVTÁR ÉVKÖNYVE 1982-1983. Budapest (1984)

III. Könyvtörténeti és művelődéstörténeti tanulmányok - Fallenbüchl Zoltán: Magyarok és idegenek a törökelleni felszabadító háború korszakában (1683-1699) - Die Landeskinder und die Fremden in Ungarn zur Zeit der Befreiungskriege gegen die Türken 1683—1699

Die Zugehörigkeit zum westlichen Christentum war also ein ethnisches Kennzeichen der Ungarn. Nicht so eindeutig war die integrierende Kraft des Souverainitätsverhältnisses, des Königtums. Seit dem Anfang des türkischen Vordringens (1526) waren die ungarischen Könige die Mitglieder des Hauses Habsburg. Diese residierten ausser Landes im nahen Wien, sie waren in die gesamteuropäischen Angelegenheiten verwickelt und vertraten eine supernationale Herrscherkonzeption, was den Ungarn nicht immer begreiflich war, da das Land täglich unter den schweren Problemen der Türkengefahr litt. Dadurch entstand gelegentlich zwischen dem König und den Ständen, Vertretern der heimischen Interessen eine gewisse Spannung. Trotzdem blieb Ungarn theoretisch bis zu den ersten grossen Erfolgen des Befreiungskrieges gegen die Türken ein Wahlkönigtum (1687). Trotz der Erfüllung des Erbrechtswunsches der Habsburgdynastie verschlech­terte sich die psychologische Lage zwischen Herrscher und ständischer Nation, da König Leopold I. sich auf die Rechtsgrundlage der „Jus Armorum" in Bezug der neu befreiten Gebiete stellte. Der dritte Faktor im nationalen Selbstbewußtsein war die ständische Zugehörig­keit. Als „Nation" galten rechtsgemäss direkt eigentlich nur die privilegierten Stände: der hohe Klerus, der Hoch- und Gemeinadel und die königlichen freien Städte: die übrigen Landeskinder nur durch das Verhältnis zu ihren Grundherren. Dadurch war das Nationalbewusstsein mit dem Problem des Standesbewusstseins verflochten. In­folge der hohen Verluste des Magyarentums in den Türkenkriegen und der günstigeren, besser geschützten geographischen Lage der deutschen, slovakischen, ruthenischen und rumänischen Grenzbevölkerung, ferner durch die stetig fortdauernde Einwan­derung aus den Nachbarländern mit solchen Völkerschaften war Ungarn schon am Anfang der Befreiungskriege zu einem Mehrvölkerland geworden: der Adel war und blieb jedoch zum grössten Teil magyarischen Stammes. Siebenbürgen spielte eine eigentümliche Rolle im ungarischen Nationalbewusst­sein. Immer als ein Teil des ungarischen Königreiches anerkannt, entwickelte es sich doch infolge der starken Abriegelung durch die Türken von den übrigen Teilen des königlichen Hoheitsgebietes zu einem provisorischen selbstöndigen Wahlfürsten­tum, welches zwar an den Sultan tributpflichtig, jedoch stark magyarischen Charak­ters war, wo sich die drei „Nationen" Magyaren, Székler und Sachsen die Wage hielten. Das bedeutete da die Székler ebenfalls magyarische privilegierte Grenzsoldaten waren, eine magyarische Suprematie. Die Rumänen, wenn auch zahlreich, waren zum grössten Teil Untertanen. In diesem Lande entwickelte sich ein Selbstbewusstsein auf Grund der ständischen Vorherrschaft ; neben theoretischer Freiheit der vier anerkann­ten Religionen (Katholisch, Ev.-Reformiert, Ev.-Lutherisch und Unitarisch) bedeutete das ein protestantisches, besonders kalvinistisches Übergewicht. Nach Besetzung durch die kaiserlichen Truppen im Befreiungskrieg (1687) gliederte aber König Leopold I. Siebenbürgen nicht an Ungarn zurück, sondern garantierte dessen Verfassung. Die Dynastie förderte zwar die kirchliche Union der griechischorientalischen Rumänen mit Rom, jedoch war dieser Prozess bis 1699 erst am Anfang. Die Hauptträger des ungarischen Nationalbewusstseins waren schon seit dem 16. Jahrhundert der Adel und die Militär-Schicht, letztere aus verschiedenen Elementen durch Lebensform entstanden. Die Zugehörigkeit zum Ungarntum war aber in allen Gesellschaftsschichten lebendig und stark geblieben, obwohl das Land in drei Teile zerfiel : in das Königlich-ungarische Restgebiet, in das Fürstentum Siebenbürgen und in das grösste, von den Türken besetzte Gebiet. Die Verschiedenheiten waren allen­falls gross. Im königlichem Ungarn spielte der hier zahlreiche Adel eine wichtige Rolle, er assimilierte durch Heiraten auch die neueren slavischen oder deutsche Adeligen. Der Hochadel, durch beste Übersicht des ganzen Landesgebietes sich auszeichnend, gab den Ton an. Die Bürgerschaft der von den Türken besetzten freien Städten litt sehr viel. Der selbsbewusste Handwerker, Kaufmann, Litterat hatte keinen Platz im Türkengebiet mehr : entweder wanderte er ins unbesetzte Gebiet aus, oder verelendete ganz. Nur die Viehhändler einiger Städte zwischen Donau und Theiss konnten sich gewissermassen halten, da sie, als gute Tributzahler, auch vom Sultan Schutz erhielten. Die Städte im Türkengebiet verloren ihren Charakter ganz. Unter vielen Tausenden ist nur ein einziges Beispiel der bürgerlichen Kontinuität in der einstigen königlichen Residenzstadt Buda (Ofen) bekannt : jene des Esztergomer Erzbischofs, und Kirchen­hauptes von Ungarn, György Széchényi, der, noch im 16. Jahrhundert geboren, als 460

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