AZ ORSZÁGOS SZÉCHÉNYI KÖNYVTÁR ÉVKÖNYVE 1973. Budapest (1976)

III. Könyvtártörténeti és művészettörténeti tanulmányok - Berlász Jenő: Könyvtári kultúránk bontakozása a 16—17. században - Die Entstehung der ungarischen Bibliothekskultur im 16—17. Jahrhundert

Die Entstehung der ungarischen Bibliothekskultur im 16—17. Jahrhundert J. BERLÁS Z In der Einleitung erklärt der Verfasser die beiden von ihm gebrauchten Begriffe : den der Bibliothekskultur und der Buchkultur. Buchkultur ist ein gesellschaftliches Phänomen. Sie kann in ihrer tieferen Deutung nicht nur die Fähigkeit des Lesens und das Interesse für Lesen, sondern auch das Angewiesensein auf die Benutzung des Buches beinhalten. Sie stellt die Phase der gesellschaftlichen Entwicklung dar, in der das Buch in stets zunehmendem Maße zum Faktor der Lebensführung, zum sozialen Bedürfnis wurde. Sie vertritt ein Kulturniveau, auf dem die Lebensformen der Gesellschaft immer mehr auch durch gedruckte Informationen mitgestaltet werden. Sie fällt in ein Zeitalter, als die Leser ihre Ideen, ihre Kenntnisse und deren praktische Anwendungsmodalitäten immer mehr Büchern entnehmen, andererseits ihre neuen Gedanken, Beobachtungen, Erfahrungen wiederum in Büchern nieder­legen, in der Form von Büchern weitertradieren. In diesem Sinne ist die Buchkultur eine neuzeitliche Erscheinung, hängt mit der Erfindung und Verbreitung des Buch­druckes zusammen. Das Zeitalter der Handschriften, der Kodizes vertritt nur eine Vorbereitungsphase der Buchkultur. Die Handschriften — durch ihre geringe Zahl bedingt — konnten sich nämlich unter den weiteren Schichten der Gesellschaft nicht verbreiten, konnten zu keinen Mitteln der Lebensgestaltung werden. Unter Bibliothekskultur versteht der Verfasser jene soziale Gegebenheit, die den Buchbedarf einer bestimmten Kollektive befriedigen kann, welcher Bedarf sich nur auf einem bestimmten Grad der Entwicklung meldet. Mit anderen Worten: die Bibliothekskultur zeigt an, ob der zur Lebensgestaltung benötigte Buchbestand an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit qualitativ und quantitativ der gegebenen Gesellschaft zur Verfügung steht, in welchen institutionellen Rahmen und in welchem Maße zugänglich ist, inwiefern er vom Gesichtspunkt der Benutzung aus organisiert ist, und schließlich in welchem Maße die bibliotheksartigen Institutionen entwicklungsfähig sind. Aufgrund dieser theoretischen Erwägungen überblickt der Verfasser die Ent­wicklung der ungarischen Buchkultur und Bibilothekskultur im 16 — 17. Jh. Die Studie besteht aus zwei Hauptteilen. Der erste Teil beschreibt die Auflösung der mittelalterlichen Kodex-Bibliotheken in Ungarn. Um die Mitte des 16. Jhs., als sich der Buchdruck in Europa überall ver­breitet, und sich die Buchkultur zu entwickeln begonnen hat, geriet Ungarn in eine krisenvolle politische Situation. Das Land mußte sämtliche ihm verfügbaren Kräfte gegen die türkische Invasion mobilisieren. Ein Drittel des Landes undzwar eben der mittlere Teil, wo die Wiege der mittelalterlichen ungarischen Kultur stand, geriet unter Türkenherrschaft. Hier wurden beinahe alle Kulturzentren (10 Bistümer und etwa 50—60 Kloster) zerstört, der größte Teil unserer mittelalterlichen Handschriften­bestände wurden mit ihnen vernichtet. Obzwar diese Handschriftensammlungen zumeist liturgische und theologisch-philosophische Stücke enthielten, und sie daher eben den aktuellen Bedürfnissen der neuen laizisierten Gesellschaft nicht entgegen­kommen gekonnt hätten, bedeutete ihre Vernichtung und Zerstreuung einen uner­satzbaren Verlust. Mit ihnen haben wir die Zeugen unserer mittelalterlichen Kultur verloren. Der zweite Teil behandelt den hauptsächlichen Gehalt der Studie. Der Verfasser weist zunächst daraufhin, was es für ein riesiges Glück für Ungarn bedeutete, daß das Land seine Randgebiete (West- und Nordungarn bzw. Siebenbürgen) vor der türkischen Invasion verteidigen konnte. Nur dadurch vermochte es, auf dem Weg der europäischen geistigen Entwicklung zu bleiben, sich — gleichzeitig mit dem Westen — eine moderne Buchkultur zu verschaffen. Diese entscheidende Entwicklung ging in zwei Etappen vor sich hin: von 1530 bis 1625 zusammen mit der Verbreitung der Reformation; und von 1625 bis zum Ende des 17. Jhs. als Begleiterscheinung der katholischen Restauration. 216

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