Petrovics Elek szerk.: Az Országos Magyar Szépművészeti Múzeum Évkönyvei 9. 1937-1939 (Budapest, 1940)
Jolán Balogh: Studien in der alten Skulpturensammlung des Museums der Bildenden Künste. II.
ben. Die Kunst dieses Meisters ist jedoch viel dramatischer, die unruhigen, schwungvollen Gestalten seines Lehrers, Francesco di Giorgio leben noch — wenn auch in einer schwerfälligeren Form — in seinen Werken weiter. Unsere Statue schliesst sich eher den Werken Neroccios an, dem sanften Meister der rythmischen, gefühlvollen Kompositionen Die Gestalten eines seiner Frühwerke, der Predella (Abb. 51.) in den Uffizien (Szenen aus dem Leben des Heiligen Benedikt) — besonders die linke Figur mit Turban — stehen, mit ihren weichen Bewegungen, unserer Statue ziemlich nahe. Die Gesichtstypen der knieenden und stehenden jungen Männer auf der rechten Seite weisen gleichfalls verwandte Züge auf. Auch die Gesichter, die auf seinen späteren Gemälden erscheinen, wie z. B. die Madonna und der Sankt Sebastian des Altarbildes (Abb. 56.) in Siena (R. Pinacoteca), die Maria und die Hl. Katherina des Dortmunder Bildes (Abb. 57.), die Madonna del latte 79 in Magliano und die Madonnen der Pinacotecaln Siena und der Sammlung Cagnola in Milano, 80 verraten mit ihren runden Formen, der die Augen betonenden Farbengebung, den krausen Locken und dem gefühlvollen Ausdruck eine so grosse Ähnlichkeit, die nur durch einen gemeinsamen Meister erklärt werden kann. Die charakteristische Haartracht des Engels (Abb. 55.) mit dem Knoten über den Stirn wiederholt sich ebenfalls auf der Hl. Katherina-Statue (Abb. 54.) Neroccios (Siena, Duomo). Die endgültige Bestimmung wird lediglich nur durch die geringe Zahl seiner bisher bekannten Statuen erschwert, weil diese über den Stil des Meisters und dessen Entwicklung kein klares Bild geben und besonders die letzten Jahre seines Wirkens nicht beleuchten. Unsere Figur aber muss gerade in jener Zeit entstanden sein, als er im Jahre 1492 die grosse Altartafel (Abb. 56.) malte, deren Gestalten mit ihren, durch die blossen Füsse betonten realistischeren Standmotiven und ihrer organischeren Faltengebung sozusagen die unmittelbaren Vorläufer unserer Statue sind. Leider ist aus dieser letzten Epoche Neroccios kein Bildwerk erhaltengeblieben und so muss es unentschieden bleiben, ob der Budapester Engel ein spätes Werk des Meisters ist, das seine bildhauerische Tätigkeit krönte relli?); Ybl op. cit. S. 516. (Cozzarelli?); Balogh: Die alten Bildwerke S. 202. (Nachfolger des Neroccio.) 79 Logan-Berenson, M.: Madonne di Neroccio dei Landi. Rassegna d'Arte. 1913. p. 73. 80 Dami, L.: Neroccio di Bartolommeo Landi. Rassegna d'Arte. 1913. p. 162, 164, 168. oder ob es sich nur um die Arbeit eines seiner Nachfolger handelt. Die Feinheit und die grossen Qualitäten der Statue sprechen eher für die erste Vermutung. Vier reichgeschmückte Konsolen 81 (Abb. 58.) schliessen die Reihe der sienesischen Werke unseres Museums ab. In den halbmondförmigen Abzeichen, die auf die Stücke gemeisselt sind, lässt sich das Piccolomini Wappen 8- leicht erkennen, was uns auch einen Fingerzeig für die Herkunft gibt. Die Konsolen des sienesischen Palazzo Piccolomini (Abb. 59.) weisen völlig den gleichen Stil auf und so kann man kaum daran zweifeln, dass unsere Stücke einst ebenfalls den sienesischen Palast geschmückt hatten und von dort gelegentlich einer inneren Umgestaltung 83 entfernt worden sind. Wie wir aus dokumentarischen Quellen wissen, hat Lorenzo Mariano, genannt il Marrina, die dekorativen Teile des Palazzo Piccolomini angefertigt. 84 Infolgedessen dürften auch unsere Konsolen in seiner Werkstatt, nach seinen Zeichnungen gemeisselt worden sein. Die kraushaarigen Jünglingsköpfe, die eine der Konsolen zieren, erinnern an den mittleren Engel des Fontegiusta-Altars, der gleichfalls ein Werk Marrinas ist. Ein kleines Terracotta Rundbild 85 (Abb. 60.) unseres Museums, in dem sich der Einfluss der damaligen grossen Meister interessant wiederspiegelt, führt uns zu dem Problemenkreis der florentinischen Kunst hinüber. Die Komposition benützt mit gewissen 81 Lajstrom (Verzeichnis). 1896. S. 10. (italienischer Meister, 16. Jahrh.); Az iparművészet 1896-ban. (Das Kunstgewerbe im 1896.) Millenniumi Emlékkönyv (Millennium-Gedenkbuch), red. von G. Rath. Budapest, 1897. S. 329. (italienisch, 16. Jahrh.); Meiler op. cit. No. 163, 161, 158, 159. (venezianischer Meister, Ende des 15. Jahrhunderts: PilasterKapitelle); Balogh: Die alten Bildwerke. S. 202. (Werkstatt des Marrina.) 82 In der Rechnung des Kunsthändlers E. Costantini vom 4. Juli 1895: „Quattro capitelli di pietra calcare con stemma Piccolomini". (Aktensammlung des Museums der bild. Künste, No. 295/1895.) 83 Die Spuren der späteren Veränderungen sind im Palazzo an mehreren Stellen sichtbar. 84 Milanesi, G.: Documenti per la storia dell'arte senese. Tom. II. Siena, 1854. p. 339. 85 Lajstrom (Verzeichnis). 1896. S. 9. (Luca della Robbia); Schubring: Katalog der Bildwerke. No. 23. (florentinisch, um 1470); Meiler op. cit. No. 7. (florentinischer Meister, um 1450); Balogh: Die alten Bildwerke, S. 201. (toskanischer Meister, der in seinem Relief die Komposition der Corsini Madonna von Luca della Robbia verwertet hat)