Petrovics Elek szerk.: Az Országos Magyar Szépművészeti Múzeum Évkönyvei 6. 1929-1930 (Budapest, 1931)
Deutsche Auszüge der im Band VI enthaltenen Aufsätze
einer Provinzstadt stehende Altar des Kleinmeisters in Siena soviel Nachahmer gefunden hätte. Die Motive der Gemälde Bartolos, besonders die der Architektur (Kreuzgewölbe, Einblicke in das 1 lausinnere) weisen aber auf die Eormenwelt der Lorenzetti. Für die Richtigkeit der Annahme, dass die aufgezählten Repliken Nachbildungen der untergegangenen Lorenzettischen Originale seien, spricht auch die ikonographische Übereinstimmung der einzelnen Darstellungen mit der als Lorenzetti-Kopie bezeichneten Heimsuchung im Oratorio di S. Bernardino, und die Tatsache, dass Darstellungen des Themas in anderer ikonographischer Gestaltung in Siena unbekannt sind und auch quellenmässig nicht erwähnt werden. Die Geburt Maria wurde ausser dem verlorenen, quellenmässig beglaubigten Fresko der beiden Brüder auch von Pietro allein in einem sieben Jahre später entstandenen, auch heute noch erhaltenen Altarbild gemalt (Siena, Opera del Duomo, Abb. 18.). Verschiedene Nachbildungen wiederholen diese Tafel fast genau, doch gibt es unter den Mariengeburt-Darstellungen der sienesischen Malerei einige, die in der bildmässigen Anlage und der Komposition von dem Pietro'schen Bild stark abweichen. Die Kompositionen von Bartolo di Fredi (Fresko in S. Agostino zu San Gimignano, Abb. 19.), Sassetta (Altar von Asciano, Abb. 20.). Giovanni di Paolo (Rom, Gab Doria, Abb. 21.), wie auch das Fresko in der Domsakristei zu Siena (Abb. 22.) geben zweifellos auf ein gemeinsames Vorbild zurück, in welchem zwar derselbe Vorgang und dieselben Motive dargestellt sind, wie im Altar Pietros, aber in einer völlig anderen Weise. Statt des bühnenhaft gebildeten schmalen Raumes bei Pietro zeigen die Darstellungen des zweiten Typs die besondere Betonung des Raumgedankens und der Baumbildung, welcher durch die senkrechte Einstellung des Bettes auf die Bildfläche, das Freilassen der Mitte des Zimmers und die geöffnete Tür der Hinterwand erreicht wird. Die Zusammenhänge dieser Darstellungen mit Pietros Mariengeburt entheben uns der Notwendigkeit der Beweisführung, dass der Urtyp der Kompositionen das verlorene Werk der Lorenzetti war ; die Unterschiede zwischen den zwei Kompositionstypen erklären sich dadurch, dass bei dem zweiten (resp. früheren) auch der auf besondere Raumprobleme eingestellte Ambrogio mitgewirkt hatte. Die Darstellungen dieses sog. zweiten Typs können keineswegs von den nachbildenden Künstlern vorgenommene Umgestaltungen gewesen sein, weil die älteste Fassung der Komposition, die von Bartolo di Fredi (mit der die übrigen in der Anlage vollkommen zusammengehen) aus einer Zeit und von einem Meister stammt, dem eine ähnliche räumliche Neugestaltung einer Komposition nicht zuzumuten ist. Durch diese Ergebnisse fällt auch neues Licht über Sassettas künstlerische Herkunft und auch über Pietro Lorenzetti, dessen Mariengeburt als eine selbständige Umgestaltung der mit dem Bruder zusammen ausgeführten Komposition betrachtet werden kann. Das schwierigste Problem dieser Rekonstruktionsarbeit ist die Wiederherstellung der Verlobung Mariae, da die vielen sienesischen Darstellungen des Themas kaum auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind. Trotzdem dürften unserer Ansicht nach die folgenden Kompositionen auf ein gemeinsames Original zurückzuführen sein : Fresko in S. Leonardo al Lago (Abb. 23.). Darstellung Bartolo di Fredis am Montalcino-Altar (Abb. 12.), Fresko von Ugolino di Prête Ilario in Chor des Domes zu Orvieto, Täfelchen eines unbekannten Sienesen aus der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts (London, National Gallery), Predellenbilder von Sano di Pietro (San Quirico d'Orcia, Hochaltar Abb. 24.), von dem unbekannten Sassetta-Schüler (Vatik. Pinak., Abb. 25.) und von Vecchietta (Slg. Johnson, Abb. 26.). Alle diese Darstellungen weichen von einander besonders in den Architekturmotiven, manchmal sogar auch in der Architekturgestaltung ab, es bestehen aber zwei durchgehend gemeinsame; kompositioneile Gedanken : die Dreiteilung des architektonischen Raumes oder wenigstens der Architekturfassade (ausgenommen im Fresko von S. Leonardo al Lago) und die Anordnung der Hauptgruppe in die Mittelaxe der Bildfläche und der Architektur. Die Annahme der Zusammengehörigkeit dieser Bilder wird auch dadurch bewiesen, dass sich in Siena Darstellungen eines zweiten Kompositionstyps der Sposalizio vorfinden, in welchen die Handlung in einen Hof versetzt und die Hauptgruppe ganz atektonisch in die rechte Bildhälfte geschoben ist. (Täfelchen von Niccolô di Buonaccorso in London, National Gall.. Abb. 27., Predelle von Sano di Pietro in der Vatikanischen Pinakothek, Fresko in der Sieneser Domsakristei). Das verlorene Werk der Brüder Lorenzetti möchten wir in dem Urtyp der ersten Kompositionsgruppe erkennen. Für die Richtigkeit der Annahme dürfte erstens das als terminus ante quem zu geltende Datum des S. LeonardoFreskos sprechen, da auf diese früheste erhaltene Variante die übrigen Darstellungen nicht zu-