Hedvig Győry: Mélanges offerts a Edith Varga „Le lotus qui sort de terre” (Bulletin du Musée Hongrois des Beaux-Arts Supplément 1. Budapest, 2001)
PETER HUBAI: Unbekannte koptische Apokryphe aus Nubien (Vorläufiger Bericht)
oder eher noch in dem, neben der Kathedrale des einen Steinwurf entfernten Bischofssitzes liegenden Klosters geschrieben wurde, grob geschätzt in der Mitte des 9. Jahrhunderts, in den Jahren um 850 ± 30. Der Kodex gliedert sich inhaltlich in zwei, beziehungsweise drei Teile, da vor der ersten (4,6-23,5) und auch der zweiten Schrift (24,1-33,13) das praescriptum (3,1-4,5) steht. So ein praescriptum war in der Zeit der Niederschreibung des Kodex üblich 8 und kann auch als Titel aufgefaßt werden. In dieser Zeit schrieb man den Titel nicht mehr an das Ende der Schrift, wie es von den Nag Hammadi Kodizes her bekannt ist. Fraglich bleibt jedoch, ob sich der beiden Schriften voranstehende Titel auf beide Schriften bezieht oder nur auf die, der sie unmittelbar vorausgeht. „Wort unseres Erlösers... über die Macht und Freimütigkeit und Lebensweise des herrlichen und lebensspendenden Kreuzes." Da vor der zweiten Schrift kein neuer Titel steht, könnte man meinen, daß der einzige Titel sich auf beide bezieht, umso mehr, als auch in ihm das Kreuz eine zentrale Rolle spielt. Es fällt aber auf, daß die zeitliche Reihenfolge der in beiden Schriften erzählten Sujets nicht mit der im Kodex eingenommenen Reihenfolge übereinstimmt: Das Geschehen der zweiten Schrift ist vor der irdischen Leidensgeschichte Jesu angesetzt, während in der ersten Schrift der Auferstandene 36 Tage nach Ostern spricht. Wenn wir im Bewußtsein dessen den Text des praescriptum („Wort unseres Erlösers... (welches) er verkündigte... bevor er (in die Himmel) aufgenommen wurde") lesen, dann werden wir ihn wahrscheinlich so verstehen, daß man, obwohl sich die Leidensgeschichte vor der Himmelfahrt abspielte, diese dann doch zeitlich anders bestimmt hätte, nämlich so, wie die zweite Schrift dann auch wirklich beginnt: „£s geschah... bevor ihn die... Juden kreuzigten". Wenn aber das praescriptum der Titel der ersten Schrift ist, dann hat die zweite Schrift nicht nur kein praescriptum, sondern auch keinen Titel. Sie ist dann in gewissem Sinne ein Anhang, was zwei andere, hier jetzt nicht zu verhandelnde altnubische Handschriften zu bestätigen scheinen. Wir wollen uns jetzt hier nur mit der zweiten Schrift befassen, die meiner Kenntnis nach bisher weder in griechischer, noch lateinischer, noch irgendeiner orientalischen Sprache oder in einer anderen koptischen Handschrift aufgetaucht ist und die also bis zum Auftauchen dieses noch nicht publizierten 8 E. A. Wallis Budge, Miscellaneous Coptic Texts in the Dialect of Upper Egypt, London 1915.