LEHOCZKY KRISZTINA (Kiállítási katalógusok - Szentendre, Szabadtéri Néprajzi Múzeum, 2010)
FURCHTBAR BEWUSST UND EIGENWILLIG FREI Über die Malerei von Krisztina Lehoczky Nach einigen Kammerausstellungen in der früheren Art'éria Galéria ist Krisztina Lehoczky nun mit einer eigenständigen, umfassenden Werkschau das erste Mal wieder in Szentendre zu sehen. Die besonderen Studienreisen, die von ihrer künstlerischen Begeisterung und Berufung zeugen, sowie die vertieften Studien, die der Vorbereitung zur Malerei dienten - die überaus außer- und ungewöhnlichen Studien an der Münchner Akademie und der Pécser Meisterschule, des Weiteren die Aufenthalte in Tibet und im Fernen Osten - fanden noch in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts statt, und seit Abschluss dieser Vorbereitungszeit sind nun schon anderthalb Jahrzehnte vergangen. Daher ist ein Auftritt in der ehemaligen „Stadt der Maler" nach ihren Soloausstellungen in Budapest und in diversen Städten im Ausland heute mehr als aktuell: Krisztina Lehoczkys Kunst ist reif und charaktervoll, zeugt von selbstständigem Stil und unbeeinflusster Schaffenskraft, womit sie locker an die künstlerischen Traditionen von Szentendre anschließt, diese, nun im 21. Jahrhundert schon, weiterleben lässt und das Werk einer der bedeutendsten Vertreterinnen der neuen Generation, die in der Stadt schafft und tätig ist, repräsentiert. Krisztina Lehoczky ist eine Künstlerin, die sich dem Geiste der klassischen Ideale der Malerei verschrieben sieht: Ihre Werke sind „normgerecht", mit Öl auf Leinen oder geschöpftes Papier gemalt, große oder mittelgroße Kompositionen auf traditionellen quadratischen oder rechteckigen Bildern. Die Arbeiten, die eine Schaffensperiode von rund anderthalb Jahrzehnten umfassen, eröffnen dem Betrachter konkrete Motive und die Dimensionen einer Welt, die sich in der Sphäre der freien Abstraktion verirrt, sich auf erkennbare Elemente der Wirklichkeit beruft, oder eines ganzen Universums, das mit unwichtigen Bedeutungen ausstaffiert ist und in dem symbolisch-metaphorische Markierungen, bestimmte inhaltliche Verweise und Ausdrücke Verwendung finden. Die Werke sind jeweils Kompositionen, die emblematische Schwerpunkte, mit kräftigen Hervorhebungen zeigen: Die Künstlerin verzichtet auf Details und hält stets die großen, charakteristischen, die vereinenden Formen markierenden konkreten oder abstrakten Motive fest. Auf den früheren Arbeiten sind Schamanentrommeln, Zweigenden, Lebensbäume, Tulpen, Vögel oder Motive der Geburt zu sehen, während auf den neueren Werken in ein geometrisches System gefasste Kompositionen von Rechtecken, Bogen, Spiralen, Kreisen und Scheiben im jeweiligen Fokus des Gemäldes stehen. Ein wichtiges Moment ist, dass in den Werken Lehoczkys das reduzierte Formensystem - somit die scheinbare Eindimensionalität der Bilder - jeweils kontrapunktiert wird, die kühlen Formen werden in erster Linie durch das mit warmen Tönen durchdrungene, in Einfühlsamkeit und Zartheit spielerische, grundlegend lebensbejahende, vom Spielerischen und von der Heiterkeit, von zurückhaltender Schönheit belebte Kolorit des Ocker, des Orange und der Rottöne sanft aufgelöst. Ob konkrete, identifizierbare oder erkennbare, auf die Realität verweisende Motive erscheinen, die Komposition durch das System der Geometrie angeordneter Formen oder etwa die Projektion des inneren Ich der Malerin auf den Leinwänden und Papierbogen von Krisztina Lehoczky in ihrer malerischen Sensibilität zum Bild wird, auf jedem ihrer Werke findet ein Kampf zwischen dem Disziplinierten und Ungehemmten, zwischen dem Kontrollierten und frei Strömenden statt. Als wären wir Zeugen eines Kampfes zwischen dem furchtbar Bewussten und dem eigenwillig Freien. Als würde die konstruierte Präzision mit den unaufhaltsamen Gesten ringen. So wie die Formen und Gestalten sich zu Formen und Gestalten verfestigen, so rebellieren sie auch gegen ihre eigene ordnungsgemäße, konventionelle Erscheinung, und all dies nimmt in der Ambivalenz von Regelmäßigkeiten und Unregelmäßigkeiten, der Dualität von Klarheiten und Auflösungen, Zitaten und Umdichtungen, in den andeutungshaften Verweisen und zuweilen Unfassbarkeiten der Farben Gestalt an. Das heißt, die im Reichtum des Malerischen schwelgenden Werke von Krisztina Lehoczky bieten unglaublich aufregende, zur Vertiefung anregende, meditative Bildfelder und eröffnen dem Betrachter außerordentlich weite Möglichkeiten der Interpretation. Tibor Wehner 5