RÁKOSSY ANIKÓ (Kiállítási katalógusok - Szentendre, Szabadtéri Néprajzi Múzeum, 2008)

WORTKARGE MITTEL, WEITE DIMENSIONEN, SCHWINDELERREGENDE TIEFEN „Was du als rotbrauner Block und als Blätter fallen und abstürzen siehst, das sind die magischen, verfärbten Blätter meiner Natur, Tiefrote, lackartige und fragile Tatsachen bedecken meine Körperoberfläche, die dazu verurteilt ist, dass sie mit Windböen gebrachte himmlische Dolche in der Glut ihrer unberechenbaren Inspirationsattacken in Stücke zerschneiden. Jetzt ist alles blattartig, aber diese sinnlos zersplitternden wirren Tatsachen wachsen plötzlich an und rasen auf mich zu..." Diese dichterisch (malerisch) inspirierten Gedanken - die im Katalog der 1995 im Ernst Museum in Budapest veranstalteten Ausstellung die Künstlerin mit dem Titel Aus der Autobiographie einer Malerin erschienen sind - dienen als Schlüssel zur Malkunst von Anikó Rákossy, und damit auch zu ihren neuen Gemälden, die aus der Kollektion der nach der Jahrtausendwende, bzw. hauptsächlich in den vergangenen ein-zwei Jahren geschaffenen Bildern ausgewählt sind. Die großen, aus mehreren Tafeln zusammengestellten - und ins außergewöhnliche X und Y Format konstruierten - Bilderkomplexe, die mittelgroßen und kleineren, mit Plexfeder auf Leinwand und Papier gemalten oder mit gemischter Technik gemalten-gezeichneten Kompositionen knüpfen sich außerordentlich konsequent an diejenigen malerischen Bestrebungen an, die die graphische, angewendete graphische und illustrierende Tätigkeit der siebziger-achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts nach 1990 abgelöst haben. Das heißt, wir können eine solche, von abstrakten malerischen Ausdrücken auf exklusive Weise determinierte Malertätigkeit in einer von nun bald zwei Jahrzehnte umfassenden schöpferischen Periode registrieren, die die Lehren aus mehreren Strömungen der modernen Kunst - so auch aus dem konstruktiven Bildaufbau, der in der Kunst von Szentendre eine so entscheidende Bedeutung hat -, aber auch aus der abstrakt expressionistischen Projizierung und aus der lyrisch abstrakten Kreation auf individu­elle Weise benützt und synthetisiert. Die Besonderheit der Rákossy-Malkunst verkörpert sich bestimmt darin, dass sie diese drei, eigentlich einander entgegensetzten schöpferischen Attitüden, Betrachtungsweisen, oder sogar parallele Strebungen in eine empfindliche, die Gegensätze fein ausbalancierende, spannende Einheit organisiert. Anikó Rákossy gestaltet ihre im illusionistischen Zusammenspiel von Räumen und Ebenen entfaltenden Kompositionen aus bewegten, ineinander knüpfenden, aus einander entstehenden, aus irgendeiner ballenden Unbestimmtheit hervor­sickernden und sich zu Form kristallisierenden Blatt-, Flügel- oder vielleicht Segelformen, die sie teppichartig weiter­webt, damit sie unaufhaltbar herausströmend und pulsierend wirken. Sie fliegen und fallen herunter, sie heben sich empor und schwimmen schwebend fort, diese in der Wiederholung der Wandelbarkeit und Leichtflüchtigkeit dargestellten, mal mit weichen malerischen Mitteln, mal mit härteren, ausgeprägten Konturen interpretierten, meistens mit gebogenen, gebeugten, manchmal mit geraden Trennlinien charakterisierten, mal organischen und mal geometrischen Formen, die von einem, das malerische Oeuvre nun emblematisch bezeichnenden, charakteristischen Kolorit getragen werden: tiefe Nuancen von hauptsächlich roten und braunen, gebrannten Siena und Kadmiumfarben, deren Schwermut nur die in den neueren Serien aufleuchtenden oder sich ausbreitenden helleren Farben, die gedämpften Ockertönungen entspannen. Es scheint, dass der rotbraune Ernst, die in sich ins Dunkle kehrende und aus dem Dunkeln heraushebende düstere malerische Ausdrucksweise in diesen neuren, auf hellere Tönungen abgestimmten Arbeiten etwas härter, faseriger wird, und dies betont auch die mehr linienartige Bildkonstruktion in diesen Kompositionen - aber die Dynamik und Intensität der latent schleichenden Räume und der in den schleichenden Räumen entstehenden und sich entfaltenden Formen und Gestalten nehmen nicht ab. Die Absicht, nüchtern Ordnung und System zu schaffen prallt immer wieder gegen das Aufbegehren der Gefühle, gegen das wilde Flattern der Gefühlswellen - und in der atmosphärischen Strahlung dieser Werke sind wir Zeugen der intimen und leidenschaftlichen, geheimnisschweren Seele-Projizierung des malerischen inneren Ichs. Wir konnten der bis anhin ausschließlich als Grafikerin und Illustratorin gekannten und bekannten Anikó Rákossy im Jahr 1991 anlässlich ihrer Ausstellung in der Künstlerkolonie-Galerie in Szentendre den „Malertitel" verleihen. Dank den im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends und im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends alle zwei-drei Jahre vorgestellten selbständigen Kollektionen erleben wir den konsequenten Aufbau eines in den malerischen Mitteln wortkargen, zurückhaltenden, aber weite Dimensionen und schwindelerregende Tiefen besuchenden und aufdeckenden Oeuvres. Die im Frühling 2008 in der Skanzen Galerie dem Publikum vorgeführten neuen Bilder bestätigen wieder diese Überzeugung von uns. Tibor Wehner 5

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