Sz. Varga Ágnes KABÓ: MEGNYÍLÓ FÉNYTEREK (Kiállítási katalógusok - Szentendre, Szabadtéri Néprajzi Múzeum, 2006)

DEN AUFGEHENDEN LICHTRÄUMEN ZU • Obwohl Ágnes Kabó Sz. Varga seit Mitte der achtziger Jahre in Pomáz lebt und arbeitet, wird sie zu den Künstlern von Szentendre gezählt, da sie hier geboren wurde, hier die ersten bestimmenden Erlebnisse und Eindrücke erfahren hatte, hier die Welt auf ihre Art betrachtete und ihre schöpferische Persönlichkeit, ihr Charakter sich hier entwickelten und entfalteten. Ihre Erinnerungen, Familie, Freunde und Kunstbelange verbinden sie am ehesten mit Szentendre. Es ist fast gesetzmäßig, dass zu Beginn die suggestiven Schauelemente der auf den mittelalterlichen Ruinen erbauten und aus ihren Ruinen neuerbauten Kleinstadt - mit ihren mediterrane Stimmung verbreitenden, übervollen, winkeligen Gassen, Höfen und Dächern, mit den spät­barocken und klassizistischen Kirchen, Kalvarienbergen, Kreuzen und architektonischen Motiven - eine unwiderstehliche Wirkung auf ihre nach Rechtfertigung suchende Kunst ausgeübt hatten. In den letzten Jahren sehen wir eine allmähliche Wende in der Kunst von Ágnes Sz. Varga. Als Hauptmerkmal ihrer neueren Pastellbilder und Werke mit Graphit und Kohle erkennen wir nämlich die meditative Stille. Ihre heutigen Themen stellen nicht mehr die aus der Schauwelt stammenden, aufrüttelnden Erinnerungsbilder dar; sie kehrt den selbstverzehrenden, schmerz­lichen Visionen den Rücken und engagiert sich in der vertieften Betrachtung, in der Erforschung von dunklen Stollen der ruhigen Seele mit einer lichtdürstenden Sehnsucht. Besser gesagt, Ágnes Sz. Varga hat eine schöpferische Weise, wie wenn sie mit geschlossenen Augen die Vision einer innerlich aufgehenden, ihren Gegenstand suchenden, fast gegenstandlose, imaginären, neuen Welt erforschen würde. Ihre Anschauungsweise ist also dem Menschen ähnlich, der aufsein Sehvermögen verzichtend sich blind stellt: der mit der verdichteten Bildprojektion seines inneren Lebens die Essenz des Verhältnisses zwischen der verwickelt erscheinenden universellen Wirklichkeit und dem Individuum in immer wiederkehrende Variationen einer einzelnen Grundvision konzentriert. Das heißt, sie kleidet die eine einzige Welt, die ein All schöpfenden tiefsten Geheimnisse seiner Seele, Gefühle und Gedanken in ein mit maximal vereinfachter Thematik dargestelltes dichterisches Bild, das eine menschenlos leere Raum-Zeitsituation heraufbeschwört. Es ist wie wenn der Mensch in einer selbstgeschaffenen Dunkelkammer sitzend seine im Universum eingenommenen Platz, seine Lage hier zu bestimmen und wahrzunehmen versuchen würde. Bei ihrem bildlosen Nachsinnen, bei den auf Gott (?) und auf ein inneres Feuer (?) konzentrierenden Überlegungen öffnet sie sich deshalb Spalte in die als existentielles Mysterium auf sie stürzende Wand der Dunkelheit, damit sie deutbare Hilfsmittel, richtungsweisende Zeichen zum Herausbrechen aus dem Gefängnis findet. Mystische Lichterscheinungen drängen sich durch die Spalte in die blinden Kasematten der unterbewussten Welt, deren scharf erstrahlende Lichtgarben und in geometrische Tränken gelockte strahlende Lichtgetränke die tiefsten Winkel der Stollen der in die Finsternis gefallenen Seele durchdringen. Halbdunkle Räum­lichkeiten und geheimnisvolle Räume enthüllen sich vor ihr: Fenster und Türen öffnen sich, zuerst jedoch nur Spalte, wodurch die geistige Seele sich auf das ebenfalls rätselhafte und ahnungsvolle, geheimnisvolle Licht als Endziel emporschwingt. Das Bild von Ágnes Sz. Varga Kabó ist also kein berußtes Fenster, in dessen schwarzen Samt wir Spalte auskratzen können damit Land­schaften der reellen Welt aufgehen; es ist auch kein eingepichter Spiegel, wo wir finger- oder handbreite Wege zeichnen können, und von diesen Flecken Details unseres eigenen Antlitzes auf uns zurückschauen. Das Kabó-Bild beschreibt nicht, stellt nicht dar und spiegelt nicht wider die Details der Erscheinungen der außerhalb uns beste­henden Welt der Trugbilder, sondern diese durchdringend lässt sie auf uns das wahre, unmittelbare, essentielle Wissen als sub­stantielle Metapher los. Das Kabó-Bild ist deshalb wie ein Einweihungsgegenstand: es weiht uns in die Tiefen der Lebensgeheimnisse ein. Es ist wie ein Medium: sie schleudert unseren Blick, unsere Persönlichkeit, unsere geistige Seele spurgerade auf die großen, gemeinsamen Bühnen der letzten Schauplätze, wo wir Rechenschaft schuldig sind. Es ist wie ein nicht abzuschlagenes geistiges Abenteuer, das für die pünktliche Ankunft der Seele am Ziel sorgen soll. Es ist wie ein aufrührerischer Befreier, der in uns die Sehnsucht nach der Erfahrung einer Sehweise von Szene auf Szene erweckt, nach dem letzten Treffen ohne Umschweife. Das Kabó-Bild hat also eine Doppelnatur, wie das Schattenbild, bei welchem das Licht immer von gegenüber, von hinter der „Wand" oder der schwarzen Aura des hervorgehobenen dunklen Motivs über uns herfällt. Und dieses Licht leuchtet mal gelb, mal in Orangefarbe, wie die heftig lodernden Flammen des Fegefeuers oder der Hölle; es glänzt mal als goldige Wolle, wie die mit Heiligenschein umgebenen Haarlocken von auf Wiesen oder mit Gras bewachsenen Hügel neigenden Engelhäupter; und mal füllt es den Raum hinter der auf einen Spalt geöffneten Zimmertür mit seiner Weilt auf, wie der Strom die Stätte des Kraftwerks auf Csontrávys Gemälde: Elektrowerk von Jajce in der Nacht; und mal dämmert es dünn hervor aus dem mysteriösen und blinden Weltraum, wie die sich auf dem dunklen Bauch der vergehenden Mondfinsternis abzeichnende Diamantsichel... Tihamér Novotny 5

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