Csaplár Ferenc szerk.: Lajos Kassák / Reklame und moderne Typografie (1999)

Die Fotomontage

DIE FOTOMONTAGE Es ist beiläufig ein Jahrzehnt her, daß die ersten Fotomon­tagen erschienen sind. Dabei handelte es sich nicht um ei­ne künstlerische Bestrebung, nicht um die Ausdrucksweise irgendeiner neuen, bewußt aufgebauten, theoretisch unter­mauerten Kunst. Im Gegenteil. Es war ein Protest gegen jedwede künstlerische Bestrebung: Destruierung des Ideals ebenso als des Materials. Wir kennen den in Narrenkappen, mit Schellen und Trompeten geführten Feldzug der Dadais­ten gegen die Literatur, und aus diesem nihilistischen Geist ging auch die Fotomontage hervor. Sie ist im Zeichen der Destruktion auf den Plan getreten und wollte nicht der Rep­räsentant eines neuen konstruktiven Geistes sein, wie heu­te das Publikum, ja selbst ein Teil der auf dem Gebiet der Fotomontage arbeitenden Künstler meint. Aus anderer Richtung hingegen lebt die Fotomontage im Bewußtsein der Menschen so, als sei sie durch die kommer­zielle Tüchtigkeit und von den Chefs der Reklamebüros ins Leben gerufen worden. In Wirklichkeit hatten die ersten Montagen mit der Reklamekunst im heutigen Sinne nicht das geringste zu tun. Sie sind im Zeichen der Negation ge­startet, und man weiß, die Reklamekunst ist eine angewand­te Kunst, ihr Ton muß der einer Fanfare sein, und sie ist da­zu berufen, sich selbst und anderes zu preisen. Vor acht oder zehn Jahren waren die Chefs der Reklamebüros mit ei­nem „Künstler", der ihnen als seriöses Propagandamittel zum Verkauf ihrer Waren Fotomontagen anbot, nicht einmal zu reden bereit. Möglich, daß diese Händler den destrukti­ven Geist der Montage erspürt hatten, wahrscheinlicher aber ist, daß sich ihr „Kunstsinn" gegen das Puritáné und Sachliche im Material der Montage sträubte. Der konservative Händler will „künstlerische" Reklame haben. Wenn er schon Geld reingesteckt hat, dann sei die Reklame so schönen und ätherischen Geistes als ein Bild von Raffaello. Die Fo­tomontage hat sich indessen weiterentwickelt und mit der Analyse und Verspottung der Phänomene nicht mehr be­gnügt. Sie erwarb einesteils aufgrund ihres Materials, ande­rerseits aufgrund ihrer produktiven Tendenzen den positiven Sinn ihres Wesens. Aus ihrer abhängigen Lage rückte sie zu einem eigenständigen Wert auf. Es war keine Reklame­kunst, aber mit ihrem demonstrativen Auftreten und der ästhe­tischen Klarheit zog sie bereits die Blicke des modernen Handels auf sich. Gesetzmäßig mit der stürmischen Ent­wicklung der Technik und zeitgleich mit der Expansion der Qualitätsware vollzog sich der Einzug der Fotomontage in die Werbung. Heute wickeln die größten und vornehmsten Firmen einen ansehnlichen Teil ihrer kommerziellen Propa­ganda mittels Fotomontagen ab. Und für uns steht die äs­thetische und propagative Bedeutung der Montage gegenü­ber der individuellen Grafik außer Zweifel. Ihren Eroberungs­zug trat sie in Form von Geschäftskärtchen und Prospekten an, und heute können wir ihr auch schon an den Plakatsäu­len der Boulevards immer häufiger begegnen. Die völlige Eroberung des Reklameterrains wird eigentlich nur mehr durch die schwerfällige Herstellungsweise gewisser Abmes­sungen der Montage behindert. Zur plakatmäßigen Ausfüh­rung der Montage werden spezielle technische Verfahren benötigt, und so sind Druckereien mit primitiverer Ausrüs­tung nicht imstande, sie herzustellen. Das ist aber nur mehr Sportcikkek (Sportartikel), Fotomontage um 1926 / Kat. 112. ein partielles Hindernis und ändert nichts an der zwangsläu­figen Durchsetzung der Montage, deren Entwicklung ja im­mer noch nicht abgeschlossen ist und die sich, mag sie in welchem Maße auch immer angewendet werden, im we­sentlichen nicht zum Instrument der Reklame verwandelt hat. Ihre Entwicklungslinie verläuft in zwei Richtungen. Ihren demonstrativen Charakter hat die Propaganda in Beschlag genommen, und in ihrer rein künstlerischen Bedeutung ent­wickelt sie sich im Kino weiter. Die synthetische Bestrebung des Kinos wird ausschließlich durch die Einschaltung und Einpassung der Montage ermöglicht. Ihre Bedeutung fürs Kino ist von den Russen entdeckt worden, und bislang wa­ren es denn auch sie, die aus ihr die meisten Werte heraus­geholt haben. Von den europäischen Filmen präsentierte Walter Ruttmanns „Symphonie einer Großstadt" die Monta­ge als synthetische Form des Filmemachens. Wie wir also sehen können, hat die Fotomontage nach kaum ein paar Jahren des Experimentierens sowohl als eigenständige wie auch als angewandte Kunst die freie Bahn ihrer Entwicklung sowohl im täglichen Leben als auch unter den auf die höchsten Ideale zustrebenden Künsten gefunden. Uns interessiert im Rahmen dieses kleinen Artikels in erster Linie das Propagandistische an der Fotomontage. Dies 21

Next

/
Oldalképek
Tartalom