Kassák Lajos: MA buch (Berlin, 1923, Facsimile: Kassák Múzeum, 1999)
alleinseligmachenden Regeln der Metrik mit der größten Gewissenhaftigkeit. Aber auch sonst wurde die Kluft, die Kassák von den übrigen, nach und nach auf einen neuen Konservatismus lossteuernden Dichtern vom „Nyugat" trennte, immer unüberbrückbarer und unmittelbar vor dem Kriege war der Bruch bereits erfolgt. Inzwischen hatte sich eine Handvoll jüngster Künstler um Kassák geschart, die in ihm ihren Führer erblickten, und mit ihnen gründete er die erste wirklich radikale Zeitschrift des ungarischen Sprachgebietes unter dem Titel „Tett", der später, als die Zeitschrift wegen antimilitaristischer Propaganda verboten wurde, in „Ma" (Heute) abgeändert werden mußte. Die „Maisten" waren die ersten, die eine wirkliche Annäherung des ungarischen Schrifttums an die neuen ausländischen Bestrebungen durchsetzten und das ungarische Publikum auf die Richtungen neuesten Datums aufmerksam machten. So mußte sich auch Kassák, der Dichter, mit dem Futurismus auseinandersetzen. Wurden doch seine Prosagedichte sowie die ganze Bewegung des „Ma" in gutbürgerlichen Kreisen als futuristisch beschimpft, und zweifellos waren es außer Walt Whitman in erster Linie die Nachbeter Marinettis, deren Form die meiste Ähnlichkeit mit der Kassáks aufwies und die ihn später, als er diese Form für sich bereits geprägt hatte, auf das stärkste beeinflußten. Aber ein Futurist war er wohl nie gewesen. Daran hinderte ihn seine entschieden soziale Weltanschauung, die sich bereits im Roman des slowakischen Bauern bewährte. Blieben seine Gedichte an Dynamik, Schwung und Kraft hinter den besten Schöpfungen der futuristischen Schule auch nicht zurück, so hielt er doch sein Auge für das soziale Problem offen, und beim Ausbruch des Krieges, als die Futuristen den Krieg als die endlich entfesselte Bewegung, die längstersehnte Aktionsfreiheit anjubelten, verwies er mit nüchterner Erwägung darauf, daß der Krieg diesen verschrobenen Erwartungen nicht im geringsten entsprechen werde, daß er vielmehr eiserne Disziplin, militärischen Drill, Einschränkung jeder freien Bewegung bedeute. So fand er sich selbst auch während des Krieges, dessen Ausbruch mit dem Anfang seiner zweiten Schaffensperiode zusammenfällt. Als Führer der schon erwähnten Ma-Gruppe — es ist bezeichnend für Kassák, den Menschen, daß er sich den Jüngsten gerade zu einer Zeit zuwandte, da er bereits anfing, berühmt zu werden und die Früchte seiner schriftstellerischen Arbeit einzuheimsen — entfaltete er eine rege Propaganda gegen Krieg und Militarismus. Überhaupt ist der Grundzug dieser zweiten Periode ein enger organischer Zusammenhang von Kunst und Politik. Sein politisches Glaubensbekenntnis war, wie nicht anders zu erwarten, ein schlechthin radikales: der Kompromißsozialismus war ihm nicht minder verhaßt als der hirnverbrannte Nationalismus, der bekanntlich auch gerade damals die Zügel schießen ließ. Er bereitete sich auf die Revolution vor. Und darin unterscheidet er sich von den antimilitaristischen Aposteln anderer Länder, auch von Leuten wie