Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)
Studien - Hedvig Újvári: Deutschsprachige presse in Ungarn nach 1867
Die zweite Etappe der ungarischen deutschsprachigen Literatur erstreckte sich von den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bis I 848. In dieser Zeit verlor die wissenschaftliche Presse an Bedeutung und die Tagespresse, die regionale Presse sowie ab den 30er Jahren die belletristischen Illustrierten wurden zunehmend relevanter. „Die erste Hälfte des I 9. Jahrhunderts ist in der Geschichte der heimischen deutschen Literatur die Blütezeit und der Verfall.“2 Deutsche und österreichische Autoren nahmen immer aktiver am geistigen Leben des Deutschtums in Ungarn teil, die Beziehung zur österreichischen Literatur, zur Kultur Wiens war in diesen Jahrzehnten am intensivsten. Durch diese Kooperation gelangten die westlichen Strömungen leicht und auf geradezu selbstverständliche Weise nach Ungarn. Im ausgehenden 18. Jahrhundert galt Wien als ein wichtiges Zentrum der aufstrebenden Nationalkulturen und -literaturen, maßgebende literarische Produkte wurden hier gedruckt und ediert, doch nach I 800 und in der Zeit des Vormärz wurden die herausragenden Werke der deutsch-österreichischen Literatur und Kultur nicht in der Metropole des Reiches, sondern in Böhmen und Ungarn herausgegeben.3 Unter den österreichischen Schriftstellern und Dichtern, die in Pest publizierten, finden sich durchaus auch bedeutende Namen, ihre Beiträge erschienen in Zeitschriften, Zeitungen und Taschenbüchern, es wurden sogar ganze Werke österreichischer Autoren von Verlegern in Pest herausgebracht. Unter den Beweggründen dafür müssen vor allem die soziokulturelle Situation, d. h. die ähnliche soziale und kulturelle Schichtung der beiden Hauptstädte, die Präsenz der deutschen kulturellen Intelligenz in Ungarn sowie die Rezeption deutsch-österreichischer literarischer Produkte von Seiten der ungarischen Intellektuellen hervorgehoben werden.4 Die ungarische Hauptstadt war damals größtenteils deutschsprachig, ein bedeutender Teil ihrer Einwohner war deutscher Abstammung, sprach und schrieb deutsch. (1851 gab es mehr als 40 % deutschsprachige Einwohner in Pest, fast 70 % in Ofen.)5 Das gesamte kulturelle Leben dieser Städte, auch was den nicht-deutsch- sprachigen Teil der Bevölkerung anbelangt, war überwiegend von deutschem Kolorit geprägt. Die überaus starke Abhängigkeit von Österreich, insbesondere von Wien, zeigte sich auch daran, dass das Bürgertum beider Hauptstädte nahezu identisch war, und dies bedeutete nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch die deutsche Prägung in Kultur und Geschmack. Dieselben Dichter, Schauspieler und Musiker waren in Wien ebenso zu Hause wie in Ofen und Pest.6 Zur Bedienung dieses deutschsprachigen Kulturpublikums gab es zu jener Zeit in Ofen und Pest zahlreiche deutsche Buchhandlungen und Verlage, so beispielsweise die Verlagshäuser von Länderer, Heckenast, Emich, Hartleben, Geibel und Beimei, die vor allem auch deutschsprachige Schriftsteller herausgaben.7 96