Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Ilona Sármány-Parsons: Symbiose und distanz

sie sich bemühten, seine Ratschläge zu beherzigen, bestellte die ungarische Aristokratie die wirklich anspruchs­vollen Interieurs und Möbel für ihre Schlösser und Palais meist aus Wien oder über Wiener Firmen. Ein sprechendes Beispiel dafür ist die Tätigkeit des Einrichtungshauses von Friedrich Otto Schmidt in Ungarn, das die überaus interessanten unmittelbaren künstlerischen Beziehungen zwischen Wien und dem Kreis ungarischer Auftragge­ber zeigt.1' Mit dem Erscheinen des Jugendstils änderte sich die Situation; entgegen der österreichischen und tschechischen industriellen Dominanz beherrschte der Schutzgeist der nationalen Kunstindustrie nicht nur die Ausgaben der Zeit­schrift Magyar Iparművészet [Ungarisches Kunstgewerbe], vielmehr wurden auch die Gestalter von der Begeiste­rung gepackt, dass es möglich war, auch in der Möbel- und Interieurkunst einen modernen ungarischen Stil zu ent­wickeln. Obschon die Wiener Impulse den neuen Formen immer angeglichen wurden, verlagerte sich der Akzent - ähnlich wie in der Architektur - auf die Andersartigkeit, auf die Schaffung einer grundlegend abweichenden Form­welt. Nicht nur die Künstler der Künstlerkolonie Gödöllő, auch die Anhänger der individuellen Formgestaltung, die selbstständig experimentierenden Meister suchten die Inspiration nun andernorts, so beispielsweise in England, in Paris oder München, Beispiele dafür sind die kunstgewerblichen Entwürfe von József Rippl-Rónai oder aber auch die Möbel von Pál Horti. Der Modernismus der beiden Städte zur Zeit der Jahrhundertwende entfaltete sich in der ersten Phase noch parallel zueinander, auch wenn auf internationalen Messen selbstverständlich eine gewisse Konkurrenz bestand. Allerdings spitzte sich dieses Verhältnis - den Pressestimmen nach zu urteilen - später aufgrund der ständigen politischen Rei­bungen zu einer eifersüchtigen Konfrontation zu. Wien gelangte erst um 1907/08 erneut in den Kreis jener auslän­dischen Schulen, von denen es legitim war, sich inspirieren zu lassen. Mehrere bedeutende Gebäude der Brüder Vágó, die Interieurs des KÉVE (Verein Ungarischer Bildender Künstler und Kunstgewerbler) zeigen beispielsweise eindeutig einen Wiener Einfluss. Der Architekt, Kunstgewerbler und Grafiker Lajos Kozma (1884-1948) übernahm, noch bevor er 19 I 3 die Budapester Werkstätte (Budapesti Műhely) nach dem Vorbild der Wiener Werkstätte grün­dete, sowohl in seinen Grafiken als auch den Möbelentwürfen die formalen Lösungen Wiener Typs. In den Jahren unmittelbar vor Kriegsausbruch waren somit in jedem Bereich der Kunst Annäherungen und freund­schaftliche Gesten zu beobachten. 81

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