Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)
Die stadt als artefactum - Kaiserlich und königlich
Jetzt, wo sie die Komitate verringern wollen, geschieht plötzlich diese Verrücktheit, dass sie sich mehren. Das alte Wien rappelt sich auf und stellt sich als dreiundfünfzigstes »Komitat« in die Reihe. Grüß dich Gott, Bruder! Es schwillt einem die Brust, beim zauberhaften, verlockenden Klang der Worte des eigenen Landes, der patriotischen Rufe und eines deftigen ungarischen Fluches. Alles ist dort ungarisch, selbst das, was deutsch ist. Der Fiaker sagt am Westeingang der Rotunde zu den Menschen auf Ungarisch »tessek kiszállni«, bitte auszusteigen (...) und wo man auch in der schillernden Verwirklichung der romantischen Märchen aus den fünf Erdteilen geht und steht, sind die Tausenden und Abertausenden Fremden - alle nicht fremd. (...) „Waren Sie schon hier Eure Majestät?“ „Nicht nur einmal, sogar zweimal." „Haben Sie Ihren Namen bei den Gästen eingetragen?" „Aber ja, er hat ihn eingetragen.“ Und dazu hielt er mir die Seite des Gästebuches hin, auf der der Name Seiner Majestät in der bekannten Form mit manu propria geschrieben stand: „König Franz Joseph, aus Buda.“ Es mochte ihm sehr wertvoll sein, denn er hatte die Stelle mit rotem Stift umkreist, damit sie sich nicht mit den übrigen Bauernnamen vermische. Ich seufzte auf und holte tief Luft: „Sieh da, die Ungarn haben Wien eingenommen, besser als unter Matthias I.“ Jeder Grashalm, jeder Stein, jedes Blatt der Kultur der Nationen zeigt, auch wir »sind«. | Kálmán Mikszáth: Genrebilder aus dem Land Wien, 1873. LINKS: DIE ROTUNDE UND DIE PAVILLONS IN IHRER UMGEBUNG (HISTORISCHES FOTOARCHIV DES UNGARISCHEN NATIONALMUSEUMS) IN DER MITTE: WELTAUSSTELLUNG 1873, DIE UNGARISCHE ABTEILUNG IN DER KUNSTHALLE (HISTORISCHES FOTOARCHIV DES UNGARISCHEN NATIONALMUSEUMS) RECHTS: HAUPTEINGANG DER WELTAUSSTELLUNG (HISTORISCHES FOTOARCHIV DES UNGARISCHEN NATIONALMUSEUMS) r usstellung 1873, otunde