Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Tamás Gajdó: Im wartesaal zur weltkarriere

Gleichgültigkeit die kühlste Ablehnung.“ - schrieb Ernő Szép in seinem Aufsatz Magyar drámák a bécsi színpadokon [Ungarische Dramen auf Wiener Bühnen].2 Man war vor allem auf der Suche nach den Stücken der ungarischen Dramenliteratur, die sich leicht „austrifizieren“ ließen. Dazu eignete sich das Volksstück am meisten: So wurde aus dem ungarischen Drama A szökött katona von Ede Szigligeti das österreichische Volksstück Der Deserteur (Arena in Hernals, 20. Mai I 850) oder aus A piros bugyel- láris von Ferenc Csepreghy Die rote Brieftasche (Raimundtheater, 13. Februar I 897). Wenn aber die ursprüngliche Umgebung und die ursprünglichen Figuren beibehalten wurden - beispielsweise führte man das Theaterstück Viola von József Szigeti unter dem Titel Der Betyár (Arena zum Braunhirschen, 26. August 1855), A csikós von Szigligeti als Der Csikós (Theater an der Wien, 30. September I 854) auf-, dann bemühte man sich, mit diesen Aufführungen die bereits existierende Pusztaromantik zu pflegen. Den größten Erfolg, einhundertacht Aufführungen erntete das spektakuläre Stück Michael Strogoff von Ferenc Csepreghy (Carltheater, 3. Mai 1877), das einen Schauspieltypus verkörperte, der in charakteristischerWeise über den nationalen Literaturen stand. Lajos Dóczy, ein Idol der jungen Generation der Zeitschrift Nyugat [Westen], übersetzte seine Stücke für das Burgtheater selbst: Der Kuss (27. Feb­ruar I 877), Die letzte Liebe (4. November I 885). Ferenc Herczeg hielt in seinen Memoiren interessante Angaben zur Wiener Theaterwelt Ende des I 9. Jahrhunderts fest. Der österreichische Journalist Bernhard Buchbinder, der in Budapest geboren worden war, überredete Herczeg, ihm zu erlauben, sein Stück Die Tochter des Nabobs Dolovai für die deutschen Bühnen zu bearbeiten. Herczeg war bei der Überarbeitung persönlich behilflich, doch zeigten sich die Wiener Theater nicht interessiert: „Der Dolovai wirkte, besonders in der deutschen Übersetzung, zu ungarisch, und an den Wiener Bühnen bevorzugte man den Ungarn damals eher in Gestalt eines Zerrbildes. Der österreichische Patriotismus, der den vielsprachigen Staat irgendwie zusammenhielt, war im Grunde genommen die gemeinsame Antipathie gegenüber den Ungarn. Sympa­thie brachten uns in Wien nur die Fiaker und die Ober entgegen. (...) Ich zog aus diesem Fall den Schluss, mich nicht weiter um die ausländischen Bühnen zu kümmern. Was von meinen Werken doch dorthin gelangte, das legte seinen Weg ohne mein Zutun zurück.“3 Buchbinder sorgte schließlich für Abhilfe, indem er das Theaterstück I 899 plagiierte, und unter dem Titel Die dritte Escadron wurde es dann auch im Raimundtheater aufgeführt. Eine wichtige Rolle bei der Vermittlung spielte Ignaz Schnitzer, der nicht nur als Librettist der Operette Der Zigeu­nerbaron in Kontakt mit der ungarischen Literatur kam: Er übersetzte Der Goldmensch von Mór Jókai (Theater an der 176

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