Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Éva Bajkay: Ungarische künstler von der sezession bis zur avantgarde in Wien 1900-1936

Noch weniger entfernte sich Aurél Bernáth (1895-1982) von der ungarischen Wirklichkeit, als er auf den Blättern seiner frühen (Anfang 1922 in Wien vervielfältigten), doch gegen Ende seines Lebens verleugneten Mappe Graphik in kubo-expressiver Formsprache von dem rückständigen, in halbfeudalen Zuständen ringenden Ungarn, der Welt der Grafen und Bauern erzählte. Mit einfachen schwarzen schablonenhaften Formen betonte er die rückständige Welt der Dörfer, den Kontrast zwischen den Kathedralen und Häusern. Die inhaltlichen Gegensätze hob er in den Kompositionen mit kraftvollen Diagonalen sowie mit Goldfarbe hervor. Seine Bilder sind mit ihrer gesteigerten Dynamik besondere Beispiele der reduzierten Darstellung.17 Zur gleichen Zeit gelangte Bernáth zur rein geometri­schen Formgestaltung wie beispielsweise auf dem Umschlag des Bandes Ló, búza, ember [Pferd, Weizen, Mensch] von Tibor Déry. Die geometrischen abstrakten Bestrebungen wurden 1921-1922 in Wien zur speziellen Formensprache der unga­rischen Avantgarde um Lajos Kassák (1887-1967). Die ungarische Variante des Konstruktivismus war in der öster­reichischen Hauptstadt fremd und wurzellos, doch verbreitete sie sich von hier aus durch die Herausgabe der Zeitschrift /VIA, der Horizont-Bücher und anderer Publikationen und machte Wien damit auf einzigartige Weise zu einem Zentrum der internationalen Avantgarde. Die MAisten gelangten von der Kraft dadaistischer Zerstörung zum Bedürfnis des utopischen Aufbaus einer neuen Welt. Den Wunsch nach dem Wechsel von Chaos zu Ordnung ver­mittelten ihre auf Papier entstandenen Kompositionen. Ab 1921 richteten sich die Bildarchitekturen von Bortnyik und Kassák mit einer rationalen und internationalen, neuartigen visuellen Sprache an die Welt.18 Die Leugnung der Mimesis war mehr als einfache Ablehnung: Sie wurde zum Modell des utopischen Aufbaus einer Welt, „eine sich zur architekturalen Ordnung vereinende gesellschaftliche Lebensperspektive."19 Kassák verkündete in Manifesten, Mappen, in seinem Vorwort zu der Serie Bortnyiks aus Wien den neuen Bildtypus, der mit elementaren Formen, klaren Farben und Kontrasten die neue geistige Energie in die Welt ausstrahlte. Der niederländische Neoplastizismus und der russische Suprematismus trafen bei ihnen auf einander, wobei sie in Wien keinen geistigen Impuls erhielten, sondern eher einen Ort fanden. Die Idee von der ästhetischen Besserung der Gesellschaft ging - entgegen dem Universalismus Malewitschs - von der historischen Realität des ungarischen Aktivismus aus und wandte sich ähnlich wie El Lissitzky sehr viel konkreter an die Gesellschaft der Zukunft. 170

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