Török Dalma (szerk.): Mantel der Traume. Ungarische Schriftsteller erleben Wien, 1873-1936 (Budapest, 2011)

Studien - Júlia Lenkei: Untergetaucht in Wien - Béla Balázs

seinen großangelegten Essays schon bald ein Vierteljahrhundert die Unzulänglichkeit des sprachlich-begrifflichen Ausdrucks, die zwangsläufige Unaufrichtigkeit des durch die Begriffe eingeschränkten Verkehrs zwischen den Seelen. Dem auf ästhetischen Grundprinzipien basierenden europäischen Kunsttypus, der durch seine innere Form den Tod in sich trägt, setzt er die Daseinsberechtigung des Fragments, den Bedarf an unfertigen oder in anderen Medien zu fertiger Form findenden Kunstwerken entgegen, die nicht mit der Wirklichkeit zu kontrapunktieren sind, diese nicht widerspiegeln, sondern einen Teil davon bilden und sie fortsetzen, so erkannte er im Film glücklich die neue, revo­lutionäre Kunst, die in der Lage war, das innere Wesen des Menschen zu zeigen, ihn sichtbar zu machen. Den letzten Schritt zur Verbindung von theoretischer Präsenz und erworbener Praxis, beziehungsweise zur Vertiefung und Ausarbeitung dieser Beziehung bot Wien. Anfangs nahm er den Film nicht ernst, sondern betrachtete ihn als eine Nebenbeschäftigung. Als Theoretiker aber führten ihn seine theoretische Kompetenz, die Bewunderung des offenen Werkes aufgrund seiner subjektiven äs­thetischen und seelischen Einstellung zum Film. Daher bediente er sich auch der Gattungen mit Übergangscharakter, schrieb Spiele und Libretti, die auf eine Entfaltung in anderen Medien warteten. Zum anderen führte ihn schließlich seine finanzielle Lage zum Film. Um Geld zu verdienen, aus seiner legendären Lust am Erzählen heraus schrieb er Filmsynopsen und verschaffte sich damit die Praxis, die er später in seiner Arbeit als Kritiker und dann als praktischer Filmemacher geltend machen konnte und die auch seine theoretische Arbeit glaubwürdig machte. In seinem Tagebuch erscheinen ab Herbst 1920 derartige Einträge: „Ich habe einen großartigen Kinofilm geschrieben (der Detektiv, der im Trancezustand ein Dieb ist und sich selbst verfolgt und schließlich schnappt). Die Idee stammt von Gerhard Eisler. Ich soll ihn machen, wir teilen uns dann unter der Hand die Millionen, schnell, bevor die Welt­revolution jeglichen Reichtum ungültig macht.”39 „Ich habe diesen Detektiv-Kinofilm (Torn Browns letzter Fang’) geschrieben, und ich glaube, dass es ein perfektes Meisterwerk auf der bisherigen Ebene des Kinos ist. Ein wesent­lich neues Motiv oder eine neue Atmosphäre gibt es darin nicht, aber ich muss schon sehr großes Pech haben, wenn ich damit nicht viel Geld verdienen sollte. Ich schreibe solche Sachen mit lächerlicher Leichtigkeit und wäre bestimmt ein ausgezeichneter Regisseur.”40 Nach dem Witz kommt der Habsburg-Film, der kein großes Glück bringt, doch viel Geld und Bekanntheit. „Egon Szécsi (...) hat mich damit beauftragt, einen Film zu schreiben, der den Putsch des Karl von Habsburg behandelt, beziehungsweise soll ich ein zu diesem Thema bereits existierendes dummes und schlechtes Textbuch umschreiben und korrigieren - in 24 Stunden. Er zahlt 30.000 Kronen - eine für mich große 148

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