Kapronczay Károly szerk.: Orvostörténeti Közlemények 190-193. (Budapest, 2005)
KÖZLEMÉNYEK - COMMUNICATIONS - Rákóczi Katalin: Ungarische Zöglinge des Josephinums (1785-1806)
Grundsätzliche Neuerungen brachten für das ungarische Hochschulwesen die Reformen Joseph II. (reg. 1780-1790), der die Ratio educationis 15 außer Kraft setzte und ein einheitliches Bildungssystem schuf, das für alle Länder seines Reiches gültig war. Der Kaiser vereinigte den chirurgischen Magisterkurs mit der ärztlichen Ausbildung und legte für dieses Studium eine Dauer von vier Jahren fest. 16 Der gemeinsame Lehrplan garantierte den Studenten der Chirurgie gründliche medizinische Kenntnisse, den zukünftigen Ärzten eine bessere Ausbildung in der medizinischen Praxis. Es muß betont werden, nur der Lehrplan und nicht die Prüfung der beiden Fachgebiete waren vereinigt worden, weil Ärzte und Chirurgen keine gemeinsamen Vorlesungen hörten. Der Chirurg hatte zwei Rigorosa auf seinem eigenen Fachgebiet zu bestehen um den Titel „Doktor der Chirurgie" zu erlangen, während der Arzt um „Doktor der Medizin" zu werden, andere Prüfungen ablegen mußte. Hatte ein Arzt das Bedürfnis Doktor der Chirurgie zu werden, so mußte er die dazu notwendigen Rigorosa erfolgreich absolvieren. Dasselbe galt auch für den Chirurgen. Diese Verordnung schuf die administrative Grundlage und eine Möglichkeit zur Überwindung der Trennung zwischen Medizin und Chirurgie. Um die chirurgische Ausbildung in Ungarn vollständig zu schildern, muß noch ein zweijähriger Kursus erwähnt werden, der ab 1788 in Pest „Zivile und Landwundärzte" ausbildete. Es wurden alle lesenund schreibkundige Personen aufgenommen, die einen Barbierbrief besaßen, oder den Barbierkurs bestätigen konnten. 17 Dieser Kursus wurde bis 1808 - getrennt von der ärztlichen Ausbildung - aufrechterhalten. Die Bemühungen Joseph II. hatten ihre positiven Auswirkungen, reichten aber nicht dazu, daß sie den gewachsenen Bedarf an Chirurgen und chirurgischem Hilfspersonal gedeckt hätten. Die stehenden Heere der absolutistischen Staaten und Militärmächte: Preußens, Rußlands, Frankreichs, Österreichs, die seit Mitte des Jahrhunderts nicht nur existierten, sondern sich enorm entwickelten und vergrößerten, haben nicht nur die Macht der Herrscher handgreiflicher veranschaulicht, sondern unvermeidlich auch Kriege beigeführt. 18 Nach einer Schlacht blieben nicht nur viele Toten, aber Tausende und Tausende an Verwundeten zurück, die einer Betreuung bedurften. Die Absolventen der Feldscherer-Schulen waren vor allem zuständig 19 die Hand anzulegen. Da ihre Zahl nicht ausreichte, mußte eine Parallele zu der zivilen Wundarztausbildung geschaffen werden. Dazu war ein neues Institut vorgesehen, das mit dem vollen Namen als Die medizinisch1 Ratio educationis totiusque rei literariae per regnum Hungáriáé et provinciáé eidem andnexas. Wien, 1777. 16 Linzbauer, F. X.: Bd. III/l, 102, Buda, 1853. 17 Im Kriegshistorischen Archiv zu Budapest (im weiteren KA-B), (Sign.: General-Commando 1788-17 603) befinden sich Schriften, die diesen Kurs bezeugen. Andreas Sense z. B. stand ein Jahr lang in der Lehre bei einem Wundarzt, danach war er ein Jahr lang Wundarztgeselle und absolvierte die gewünschten Prüfungen. Die am 30. Mai 1782 in Oberhallbrunn ausgestellte „Lehrattestation" beweist, daß Ungarn deutscher Abstammung oft im deutschen Sprachgebiet ausgebildet wurden. Die ungarischen Namen werden in der registrierten Form wiedergegeben. 18 Kriege Österreichs, die Joseph II. miterlebte: der siebenjährige Krieg 1756-1763, der bayrische Erbfolgekrieg 1778 - 1779; der österreichisch-türkische Krieg 1788 - 1791, der größtenteils während seiner Herrschaft geführt wurde. I9 Kirchenberger, S.: Kaiser Joseph II. als Reformator des österreichischen Militär-Sanitäts- Wesens. Wien, 1890. bes. 1-13; Moerchel, J.: Das österreichische Militäsanitätswesen im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus. Europäische Hochschulschriften, Reihe III, Bd. 233. Frankfurt/Main, 1984.