Varga Benedek szerk.: Orvostörténeti közlemények 147-148. (Budapest, 1994)

TANULMÁNYOK - ESSAYS - Kaiser, Wolfram: Das ungarische Medizinstudium des 18. Jh. an der Universität Halle

Grundfunktion nachzukommen, d.h. Beamte und Juristen, Pädagogen und Theologen, Ärzte und Na­turwissenschaftler für den Bedarf des Landes auszubilden; bei entsprechender institutioneller Ausstat­tung und bei ausreichender Subventionierung wäre ein Abwandern der akademischen Jugend auf nicht­preußische Hochschulen kaum zu befürchten gewesen. Mit Halle hatte man aber gesonderte Absichten. Die neue Universität sollte ein freies und von innerprotestantischen Querelen unabhängiges Bildungs­zentrum werden, ein Attraktivpunkt für das vorwiegend lutherische Bevölkerungsgros des eigenen Ter­ritoriums und zugleich auch für die ausländischen Lutheraner (unter „Ausländern" verstand man im Sprachgebrauch der Zeit sämtliche Nicht-Preußen). Es ging also nicht zuletzt um die Etablierung eines Gegenpols zur lutherischen Orthodoxie der Sächsischen Universität von Wittenberg, um das In­Grenzen-Halten des preußischen Auslandsstudiums und eine auch die Ausländer ansprechende Ausbil­dungsofferte. Die evangelisch-reförmierte Hochschule von Frankfurt erschien aber für eine derartige Rolle ebenso ungeeignet wie das im calvinistischen Umfeld gelegene niederrheinische Duisburg. Kö­nigsberg war zwar lutherisch, lag aber für eine derartige Aufgabenstellung allzu abseits. Aus hoch­schulpolitischer Sicht heraus ging es also um den Gewinn einer innerevangelischen Dominanz, um eine universitäre Vormachtstellung im protestantischen Deutschland. Es dauerte nicht lange, dann zeigte sich auch für die Universität Halle ein Zuzug, wie er bis dahin den benachbarten sächsischen Universi­täten gegolten hatte. 6 Bis 1730 schrieben sich 23 136 Studiosi in die Matrikel ein, wobei Theologen und Juristen das Hauptkontingent bildeten. 7 Nun sind Immatrikulationszahlen an jungen Universitäten nicht unbedingt ein Kriterium für fachliche Bedeutung; ganz allgemeine Neugier, die ,,Freude am Neuen", waren oft genug auch schon vorher bei anderen Universitätsgründungen feststellbar gewesen, und die einzige „Goldene Zeit" war bei manchen Universitäten auf die Gründungsphase beschränkt geblieben. 8 An Grundsätzliches war aber zu denken, wollte man Attraktivität auf Dauer gewinnen: Lehre auf hoher Ebene, zeitgerechte Einrichtungen, großzügige Dotierungen, Engagement von Förder­kreisen und nicht zuletzt auch Liberalität im Hochschulalltag. Sollte zudem der Einzugsbereich die po­litischen Grenzen überschreiten, dann mußte auf alles verzichtet werden, was den Ruch des Staats- und Religionsdoktrinären tragen konnte. Alle diese Prämissen wurden in Halle in bemerkenswerter Form Realität. Es gelang dank der Tatsa­che, daß ein Miteinander von konfessionellen und wissenschaftlich determinierten Fortschrittsbewe­gungen zustande kam, indem das von Christian Thomasius (1655—1728) repräsentierte Aufklärungs­denken der Zeit eine universitäre Allianz mit dem von August Hermann Francke (1663—1727) vertretenen Pietismus spezifisch hallescher Prägung einging. 9 Der Pietismus als eine religiöse Re­formbewegung mit ausgeprägter sozialer Komponente stand damals selbst in Abwehrhaltung gegen die lutheranische Orthodoxie und war zwangsläufig gehalten, für religiöse Toleranz einzutreten; das be­deutete, daß auch ein sich zu den Reformierten bekennender Christ in Halle heimischer war als bei­spielsweise dort, wo die Orthodoxie das Sagen hatte. Auch für das Ausland wurde Halle auf diese Weise zu einer Hochburg des protestantischen Studiums; knapp 300 ungarische Absolventen der Jahre zwischen 1694 und 1730 legen hierfür beredtes Zeugnis ab. 10 Aus ungarischer Sicht heraus bedeutete das eine unübersehbare Umorientierung, hatte man sich doch zuvor sehr stark auf die sächsischen Uni­6 Eulenburg, F.: Die Frequenz der deutschen Universitäten (Leipzig 1904); Mühlpfordt, G. : „Die »sächsischen Universitäten« Leipzig, Jena, Halle und Wittenberg als Vorhut der deutschen Aufklärung" in: Abhandl. Sachs. Akademie der Wissensch, zu Leipzig, Phil.-hist. Klasse, Bd. 71, H. 3, S. 25—50 (Berlin 1987) 7 Juntke, F., u. Zimmermann, F. (Hrsg.): Matrikel der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Bd. I (1690-1730) (Halle I960) 8 Mühlpfordt, G.: „Die Petersburger Aufklärung und Halle" Canad.-Amer. Slavic Studies 13 (1979), S. 488—509 9 Selbmann, E.: „Die gesellschaftlichen Erscheinungsformen des Pietismus hallischer Prägung" in: 450 Jahre Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg , Bd. II, S. 59—76 (Halle 1952) 1U Zimmermann. F.: „Materialien zur Herkunft der Studenten der Universität Halle in der Zeit von 1696—1730" in: 450 Jähre Martin-Luther-Universität Halle—Wittenberg Bd. II, S. 95-100 (Halle 1952)

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