Varga Benedek szerk.: Orvostörténeti közlemények 145-146. (Budapest, 1994)
TANULMÁNYOK - ESSAYS - Vollmuth, Ralf: „Von den geschosszenen wunden". Die Behandlung von Schußwunden in deutschsprachigen chirurgischen Werken des 15. Jahrhunderts
es aber frisch geschehen, das du frisch dorvber körnest vnd nit dieff litt, so hostu in in viij stunden heruß. Vnd erschrick nit vnd erfrist das pflaster wol dick. Vnd legs im wider dorvber vnd loß es j stund oder ij darüber liegen vnd leg in als vor. Vnd gib im des truncks ein guten trunck. Vnd wann du dan in zweyen stunden das pflaster vjfthust, so bistu des sicher wissentlich, das du die kugel oder das eyssin vff dem pflaster vinde(s}t on allen zwiffel. Vnd gib im dann das wundttranck zu trincken vnd leg im das andere pflaster don'ber vnd heil in, als du ein frische wunden hailiest." 119 Der Verfasser empfiehlt zunächst ein Pflaster, das er seiner Schilderung nach im Burgunderkrieg über 90 mal zur unblutigen Entfernung von Kugeln (bzw. Fremdkörpern) herangezogen hat. Es besteht aus Rettich und Wacholder, die oben im Rahmen des Hilboltschen Rezeptes schon angesprochen wurden (Rettich: Senfölglykoside, Ätherisches Öl; Wacholder: Ätherisches Öl), aus den Tüpfelfarnen Engelsüß (Bitterstoff, etwas Ätherisches Öl, Schleimstoffe, Zucker, frisch auch Saponin) und Hirschzunge (Gerbstoff, Schleim, Zucker), die jedoch volksheilkundlich wohl vor allem innerlich angewendet wurden, 120 sowie aus „schmirbel wurtzel", wobei der 'Gute Heinrich' (als den Knapp den Schmerbel identifiziert hat) mit dem Spinat verwandt ist und Saponin enthält 121 , die SumpfDotterblume (die nach Ebel mit ,,Schmirwollwurtzen" gemeint ist) neben Saponinen, Flavonen und Carotin als Hauptwirkstoff Protoanemonin bietet, das stark örtlich reizt und eine ausgeprägt antibakterielle Wirkung aufweist, allerdings durch Trocknung umgewandelt wird und seine Wirkung einbüßt 122 . Die zerstoßene Gewürzmischung wird mit Hasenfett eingeschmolzen, hinzu kommt ,,diatolum magnum", womit wahrscheinlich 'diachylon magnum' — ,,ein aus Pflanzensaft hergestelltes [Wund-]Heilmittel" — gemeint ist, 123 und Petroleum, also Bergöl. Die Mischung wird zerlassen und bis zur Erkaltung eingerührt. Die Salbe wird auf ein Hasenfell aufgetragen und auf den (zur Ausnutzung der Schwerkraft nach unten gekehrten) Einschuß aufgebracht. Begleitend empfiehlt der Verfasser einen Wundtrank aus einer weinigen Abkochung von Meisterwurz, der vor allem Ätherisches Öl, Gerbstoff sowie Cumarinderivate enthält und früher als schweißtreibendes Mittel, als Diureticum, bei bronchitischen und bei Magen-Darm-Störungen, bei Rheuma sowie als Antipyreticum angewendet wurde, um nur einige der Anwendungsgebiete herauszugreifen. 124 Nach Ausziehung des Geschosses durch die Anwendung dieser Rezepturen, die Klaus von Matrei noch näher ausführt, wird die Wunde wie eine andere frische Wunde behandelt. Weiter unten — im Kapitel XXIHI, bei dem es sich wie oben dargestellt nicht um ein von Klaus von Matrei übernommenes Kapitel handelt — geht der Verfasser darauf ein, wie zu verfahren ist, wenn Pulver in der Wunde verblieben und ,,nit geleschet ist", womit sich der Autor als Anhänger der Verbrennungstheorie zeigt. Zwar widerspricht dies auf den ersten Blick der oben geäußerten Feststellung, der Verfasser sei der Vergiftungstheorie verhaftet, jedoch liegen hier eindeutig zwei konträre Auffassungen vor, die wiederum beweisen, daß das Kapitel XXIII tatsächlich nicht Klaus von Matrei zuzuschreiben ist. Behandelt der Verfasser Schußwunden an Extremitäten, so „löscht" er die Wunde mit „Krautbrühe" — wie ich es einmal nennen möchte —, also wohl der dem Kohl durch Salz beim Einsäuern entzogenen Flüssigkeit; bei Verletzung des Thorax verbietet er dieses Vorgehen — wohl um zu vermeiden, daß es zu unkontrollierten Flüssigkeitsansammlungen in Körperhöhlen kommt —, tränkt stattdes119 Knapp (1954), S. 20—21; vgl. Ebel (1940), S. 60—61. 120 Zu Engelsüß und Hirschzunge: Gessner / Orzechowski (1974), S. 459—460. 121 Gessner / Orzechowski (1974), S. 172. 122 Sieh zur Identifikation oben, Anm. 110. Zur Sumpf-Dotterblume sieh Gessner/Orzechowski (1974), S. 365—366, zum Protoanemonin S. 359—362, zur Flavon-Wirkung S. 190—194. 123 Knapp (1954), S. 99. Vgl. zum bleiweßhaltigen Diachylum-Wundpflaster insbesondere Rohland (1982), S. 267; Keil (1961), S. 175. 124 Gessner / Orzechowski (1974), S. 295—296