Antall József szerk.: Orvostörténeti közlemények 83-84. (Budapest, 1978)
LECTURIS SALUTEM - Antall József: Semmelweis betegsége és halála (magyar és német nyelven)
darin, daß die Vorgeschichte der Forschung und jene wichtigsten Informationen im Zusammenhang mit Semmelweis' Krankheit und Tod zusammengefaßt werden, die zum Verstehen und Bewerten der jetzt veröffentlichten Dokumente und Gutachten nötig sind. Über Semmelweis' Krankheit und Tod wurde selbstverständlich bereits in den Nekrologen und in der früheren Fachliteratur geschrieben. Als Todesursache stand damals überall (Wiener Medizinische Wochenschrift, Wiener Medizinische Presse usw.) — ebenso wie in József Fleischers Gedenkrede über Semmelweis (1872) — eindeutig die Pyämie fest, welche der bei einer früheren Operation erfolgten Verletzung zugeschrieben wurde. Daneben ist auch überall — aber unabhängig von der Todesursache — Semmelweis' „Geistesstörung" erwähnt, die sich in den letzten Wochen seines Lebens gezeigt haben sollte. Die brutale Behandlung in der Irrenheilanstalt als Ursache der Pyämie ist zum ersten Mal im Jahre 1906 aufgetaucht: in der medizinischen Fachzeitschrift „Gyógyászat" hat man sich darauf berufen, daß der inzwischen verstorbene Béla Machik, der 1865 als Arzt in der Irrenheilanstalt tätig war, eine unmittelbare Kenntnis davon hatte und auch anderen darüber sprach. Diese Nachricht unsicheren Ursprungs, die nach dem Artikel das Tragische noch schrecklicher machte, wurde schon 1940 von György Korbuly in „Orvosi Hetilap" widerlegt. Im Zusammenhang der Todesursache ist schon frühzeitig ein Meinungsunterschied aufgetaucht, der bis heute aufrechterhalten blieb. Taktgefühl einerseits und Bestrebung nach der Darstellung der Wirklichkeit andererseits stehen einander gegenüber. Einige sind der Anschauung, es hat keinen Sinn, so viel über Krankheit und Tod diskutieren, wenn einmal die Wahrheit und Richtigkeit der Semmelweisschen Doktrine unbestritten ist. Andere aber meinen, daß die Krankheits- und Todesumstände nicht einfach einen Teil der Semmelweis-Forschung bilden, sondern ein grundlegendes Problem derselben darstellen. Die Vertreter der entgegengesetzten Ansichten melden sich natürlich in erster Linie innerhalb dieser zweiten Gruppe, für die die Krankheit und der Tod eine wichtige Frage bedeuten. Die „Frontlinien" gestalten sich hier folgenderweise: auf einer Seite setzt man sich zum Ziel, durch die Ablehnung der Geisteskrankheit (d. h. der Voraussetzung der progressiven Paralyse) von Semmelweis und durch Abstreichen der Brandmarke des Wahnsinns den großen Gelehrten gewissermaßen zu rehabilitieren, und in diesem Sinn wird auch das zur Verfügung stehende Tatsachenmaterial summiert. Auf der anderen Seite hält man dagegen eben durch die Ablehnung des als unbegründet und unnötig betrachteten Taktgefühls die Aufdeckung und die vollständige Darstellung der Wirklichkeit notwendig, wobei die Krankheitsforschung als integranter Teil der Medizingeschichte angesehen wird. Ja sogar zur Beuerteilung des ganzen Lebenswerks sollen — dieser Ansicht nach — die genauen Umstände der Krankheit und des Todes in Betracht gezogen werden, um eine „historische Diagnose" aufstellen zu können. Man hofft dadurch auch eine Antwort auf solche Fragen zu bekommen, wie z. B., warum Semmelweis in seiner wissenschaftlichen Entwicklung an einem gewissen Punkt steckengeblieben ist, warum er die neueren Entdeckungen außer Acht gelassen hat, warum er in seinem wissenschaftlichen Streiten einer solchen Kampfweise sich bediente, welche die Zahl seiner Gegner noch vermehrte und gewissermaßen auch seinem eigenen Erfolg ein Hemmnis war.