Körmöczi Katalin szerk.: Führer durch die historische Ausstellung des Ungarischen Nationalmuseums 3 - Vom Ende der Türkenkriege bis zur Millenniumsfeier - Die Geschichte Ungrans im 18.-19. Jahrhundert (Budapest, 1997)

SAAL 10. Ungarn im 18. Jahrhundert (Gábor Németh - Eszter Aczél)

Im Laufe des Jahrhunderts stiegen die grundherrlichen Lasten der Leibeigenen. Trotz der auf Verbesserung der Lage und Vereinheitlichung der Lasten abzielen­den herrscherlichen Maßnahmen (Urba­rialregelung) brachen im 18. Jahrhundert mehrere Bauernaufstände aus. Die Modernisierung der landwirtschaftli­chen Produktion wurde seit den 1760er Jahren von den österreichischen Kamera­listen und dem um die Verbesserung der bäuerlichen Lebensumstände bemühten Samuel Tessedik (1742-1820) gleicherwei­se betrieben. Der evangelische Pastor und Pädagoge Tessedik gründete in Szarvas eine die landwirtschaftlichen Kenntnisse der Bauernschaft erweiternde, zur inten­siven Wirtschaft anleitende Wirtschafts­schulc und Musterwirtschaft. Auch an der Organisierung des Georgikon von Keszt­hely war er beteiligt. Sein Lebenswerk wird an Hand seines die Lage der Bauern­schaft analysierenden Buches und der Plan­zeichnung des Wirtschaftsgartens von Nagyszentmiklós (Sânnicolaul Mare) dar­gestellt. Auf die herrscherlichen Maß­nahmen weist das Formular der von Ma­ria Theresia eingeführten Urbarialrege­lung hin. Das am 23. Januar 1767 erlasse­ne Urbarialpatent regelte landesweit die Lasten der Leibeigenen. Die Anweisung wurde in den Sprachen der Nationalitä­ten gedruckt. Ein gutes Beispiel für die Lebensumstän­de der sich auch mit landwirtschaftlicher Warenproduktion beschäftigenden wohl­habenderen Bauernschaft der Markt­flecken und der im wesentlichen auf gleich hohem Niveau stehenden Kleinadligen (Annalisten) ist die sog. Bauernbarock­Kredenz, ein Vertreter der im Volk übli­chen Variante der Barockkunst. Auf den Regalen des aus weichem Holz geschnitz­ten Schrankes sind Späthabaner Fayence­gefaße von Töpfern aus dem früheren Obe­rungarn ausgestellt. DAS LEBEN IN DEN KÖNIGLICHEN FREISTÄDTEN UND DEN BERGSTÄDTEN Das Leben des Bürgertums spielte sich im traditionellen Rahmen der königlichen Freistädte und der Bergstädte ab. Das größtenteils deutschstämmige Bürgertum beschäftigte sich vor allem mit Handel und Gewerbe. Hinsichtlich des Niveaus der Urbanisierung war ein maßvoller Fortschritt feststellbar. Die Wirtschafts­politik und das Zollsystem der Habsbur­ger diskriminierten zwar Handel und In­dustrie in Ungarn, aber man billigte dem Land eine seiner wirtschaftlichen Entwick­lung entsprechende Rolle als Abnehmer­markt und Agrarversorger zu. Die Be­deutung der Mastrinder-, Wein- und Ge­treideausfuhr blieb auch in diesem Jahr­hundert erhalten. Der Bergbau befand sich in der Hand des Ärars. Im 18. Jahrhundert läßt sich ein allgemei­ner Wandel der Lebensweise und Kultur beobachten. Augenfällige Zeichen dafür finden sich im barocken Stadtbild. Die zur Zeit der Türkenherrschaft zerstörten Städte wurden im Barockstil wieder auf­gebaut und die vom Krieg verschonten bereicherten sich innerhalb der alten Stadtmauern durch Pfarr- und Ordenskir­chen, Aristokratenpaläste, Bürgerhäuser und öffentliche Gebäude mit den Merk­malen der barocken Architektur. In den Bischofssitzen kam es zu umfangreichen Bauarbeiten. Die nach Zeichnungen von A. W. F. Bernhardt (1690-1778) entstan­denen Stadtansichten zeigen treu die ein-

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