Kemenczei Tibor: Studien zu den denkmälern skythisch geprägter alföld gruppe (Inventarta Praehistorica Hungariae 12; Budapest, 2009)
Der Fundstoff - Denkmäler der skythischen Tierstilkunst
Stück stellt einen liegenden Hirsch mit untergeschlagenen Beinen dar. Das stark stilisierte Geweih des Tieres liegt gebogen auf den Rücken auf. Augen und Ohr bestehen aus eigens darauf aufmontierten Zellen, die ursprünglich mit farbiger Masse ausgefüllt waren Die getriebenen Körperteile wurden mit schnurartiger Linie umrahmt. Zum Aufnähen der Hirschgestalt dienten die kleinen, auf der Rückseite angelöteten Ösen. Zusammen mit dem Goldhirsch ist auch ein kleiner goldener Haarring mit konischen Enden zum Vorschein gekommen (Taf. 89). Ausführlich untersuchte Nándor Fettich 1927-28 die formalen, technischen Kennzeichen der in der Tiefebene gefundenen goldenen Hirsche. Er stellte fest, dass die Formgebung der einzelnen Körperteile der Goldschmiedearbeiten von der Technik des Holzund Beinschnitzens herkommt. Auf diese Weise können diese Exemplare als für die Blütezeit der skythischen Kunst typische Goldschmiedearbeiten bestimmt werden. Auf Grund des damaligen Standes der Forschung datierte er das Exemplar von Zöldhalompuszta in die Mitte des 5. Jh. v. Chr. Seiner Meinung nach stammt der Hirsch aus Elektron von Tápiószentmárton aus einer späteren Zeit, aus dem 4. Jh. v. Chr. Er hielt beide Meisterwerke der Goldschmiedekunst für die Arbeiten griechischer Meister. 465 Ein wichtiges Element seiner Erörterungen war der Vergleich des Goldhirsches von Zöldhalompuszta mit dem bronzenen Pressmodell von Garcinovo in NO-Bulgarien. In der Mitte der Tierkampfszene auf dem Pressmodell stellte der Goldschmied einen zusammenstürzenden, rückwärtsblickenden Hirsch dar, der mit der Tierfigur von Zöldhalompuszta identisch aussieht. 466 In der darauffolgenden Zeit beschäftigten sich mehrere Forscher mit diesen Meisterwerken der Goldschmiedekunst. Zuerst erörterten M. Rostowzew, G. Boroffka, dann K. Schefold diese Fundstücke, die sie in das erste Viertel des 5. Jh. v. Chr. datierten. 467 K. Schefold untersuchte das Pressmodell von Garcinovo ausführlich, hielt die Verzierung des Pressmodells für die Motive des griechischen Stils, datierte das Stück auf Grund deren in die Zeit um 480/470 n. Chr. Unter dem Stichwort Hirsch aus Elektron von Tápiószentmárton im archäologischen Lexikon zur europäischen Urgeschichte datierten L. Bella L. und G. Wilke dieses Fundstück auf das Ende des 4. oder den Anfang des 3. Jh. v. Chr., und hielten es für ein Denkmal der skythischen Goldschmiedekunst im Pontusgebiet. 468 Als Erster wertete Árpád Bottyán den skythenzeitlichen Fundstoff der Ungarischen Tiefebene umfassend aus. Er benannte die Gruppen im nördlichen und mittleren Teil der Tiefebene nach den zwei goldenen Hirschfiguren. Da in der Nähe des Stückes von Tápiószentmárton das Fragment eines scheibengedrehten Tongefäßes gefunden wurde, vertrat er die Meinung, dass die skythische Bevölkerung der Tiefebene die Herstellungstechnik der scheibengedrehten Keramik von den Kelten übernommen hatte, so datierte er die goldenen Elirsche auf das 4. Jh. v. Chr. 469 Im zusammenfassenden Aufsatz über die Skythen meinte T. Talbot Rice, dass die Skythen um das Jahr 500 v. Chr. ins Gebiet von Ungarn vorrückten. Den zu den Denkmälern der Skythen gehörenden goldenenen Hirsch von Zöldhalompuszta verglich sie mit den Funden der südrussischen Sieben-Brüder- und Kul-ObaKurgane, und beobachtete auf dem Exemplar von Zöldhalompuszta die Stilmerkmale der griechischen Goldschmiedekunst. Demzufolge hielt sie für ausgeschlossen, dass es aus der Zeit vor dem 5. Jh. v. Chr. stammen würde. Ihrer Meinung nach weisen die granulierten Motive des goldenen Hirsches von Tápiószentmárton ebenfalls die Wirkung der griechischen Goldschmiedekunst auf. Der Form nach steht dieses Fundstück ihres Erachtens dem aus dem Kurgan Kostromskaja stammenden goldenen Hirsch nahe, und sie datierte es deshalb ebenfalls auf das 5. Jh. v. Chr. 470 Zu den ältesten Denkmälern der nordost-ungarischen skythischen Gruppe zählte T. Sulimirski beide goldenen Hirsche, die daher aus der Zeit um 6/5. Jh. v. Chr. gestammt haben können. 471 K. Jettmar hielt die Goldhirschfigur von Zöldhalompuszta für etwas jünger, er datierte das Stück auf das 5. Jh. v. Chr. 472 Im Einklang mit den oben angeführten Meinungen datierte M. Dusek die erörterten Funde in die Zeit um die Wende des 6/5. Jh. v. Chr. Er meinte, dass die Form und Ausführung der Stücke von der Darstellungsart der skythischen Kunst fremd seien. Seiner Meinung nach stammen diese Stücke aus einer Werkstatt im thrakischen Gebiet, wo sich der assyrisch babylonische und der griechisch-ionische Stil zusammen zur Geltung kamen. Durch Handel gelangten sie in die Tiefebene, wo sie zum Denkmalmaterial derjenigen Bevölkerung gezählt werden sollten, die ihre Verstorbenen in Brandbestattungen unterbrachte. 473 Auf Grund der Funde des Kurgans Kostromskaja im Kubangebiet wies schon Nándor Fettich darauf hin, dass die von der Tiefebene stammenden Hirsch465 466 467 468 FETTICH 1927, 138; Ders. 1928, 9-10. FETTICH 1934, 34. ROSTOWZEW 1931, 53 1; BOROFFKA 1928, 36; SCHEFOLD 1938, 36. 40. BELLA /WILKE 1929, 174-175. 469 470 471 472 473 BOTTYÁN 1955, 56-57. TALBOT RICE 1975, 166. 168-169. SULIMIRSKI 1958, 519. JETTMAR 1964, 37. DUSEK 1974, 392-396.