Horváth A. László, Simon H. Katalin: Das Neolithikum und die Kupfzereit in Südwestdanubien. (Inventaria Praehistorica Hungariae 9; Budapest, 2003)
6. Die Kupferzeit - 6.3. Die mittlere Kupferzeit
sahen wir schon, daß eine Kontinuität auch auf den einzelnen Fundstellen der Lengyel- und der Balaton-Lasinja-Kultur nicht nachgewiesen werden konnte. Dagegen dürfte es sicher sein, daß viele Kulturelemente in der transdanubischen Hochkupferzeit vorhanden sind, die vorher in verschiedenen südlichen Kulturen bekannt waren. Die kulturellen Veränderungen sind eindeutig. Man könnte dies auch so formulieren, daß sich die balkanische Welt zu dieser Zeit auf Kosten von Mitteleuropa ausbreitete. Dies führte zu einer völlig neuen Situation im Leben Transdanubiens. Die Ungarische Tiefebene stand schon seit dem Frühneolithikum unter dem Einfluß des Balkans, Transdanubien blieb seit der Linienbandkeramik mitteleuropäisch. Mit dem Vorstoß der Balaton-Lasinja-Kultur, deren Wirkung bis Süddeutschland zu spüren war, fand die Verschiebung der Grenze des mediterranen Kulturmilieus weit nach Norden statt. Damit sollte die Urbevölkerung noch nicht ausgerottet werden, ihr Kulturerbe konnte noch lange weiterleben. Wenn wir aber die völlige Kontinuität der transdanubischen frühen und mittleren Kupferzeit annehmen wollen, müssen weitere Fragen unbedingt beantwortet werden: (1) Genetisch können die einzelnen Gruppen des Lasinja-Kreises aus mehreren Gründen nicht als einfache Nachfolger der Lengyel-Kultur aufgefaßt werden, wie es in der mitteleuropäischen Fachliteratur angenommen wird. 637 (2) Die transdanubische Balaton-Lasinja-Kultur kann aus der vorangegangenen Kultur —der spätesten Phase der Lengyel-Kultur —nicht eindeutig abgeleitet werden. (3) Der namengebenden Kultur dieses Kulturkreises gingen südlich der Drau und der Mur, in Slowenien und Kroatien solche Formungen, und zwar die Sopot- und Sece-Kultur, voran, die bestimmt nicht zu dem Lengyel-Kreis gehörten, die dort jedoch die kulturellen Grundlagen der Lasinja-Kultur bildeten. (4) Zu den erwähnten Gruppen müssen innerhalb des Lasinja-Kreises noch solche Formungen wie die Münchshöfener Gruppe in Bayern und Nordösterreich und die Kanzianiberg-Gruppe in der Steiermark gezählt werden, auf deren Gebieten die Lengyel-Kultur nie existierte. (5) Es gab dagegen große Regionen —Südwestslowakei, Nordtransdanubien, Mähren —wo sich die Lengyel-Kultur nicht zur Balaton-LasinjaKultur umwandelte, obwohl der kulturelle Vorgänger, die örtliche Lengyel-Kultur, praktisch dieselbe Grundlage für eine Weiterentwicklung südlich davon bot. (6) Unklar ist noch die Art und Weise der Ausbreitung der wohlbekannten südlichen Einflüße, die auf dem ganzen Gebiet des Lasinja-Kreises zur Geltung kamen. Zusammenfassend kann über die Entstehung der Hochkupferzeit in Transdanubien Folgendes festgestellt werden: Die Balaton-Lasinja-Kultur war eine relativ späte Erscheinung im westlichen Teil Ungarns innerhalb des riesigen Lasinja-Kreises, die zeitlich auf die späteste Lengyel-Kultur folgte. In ihrer materiellen Kultur vermischten sich die Elemente der vorangehenden Frühkupferzeit und des balkanischen und ägäischen Neolithikums und Äneolithikums, von denen die letzteren eine viel größere Rolle spielten. Die Entstehung einer urzeitlichen Kultur darf nicht als eine einfache typologische Frage behandelt werden. Die Analyse der Keramik und anderer Werkzeuge ist zwar wichtig, allein reicht sie aber nicht, historische Probleme entscheiden zu können. Die Kontinuitätsfragen der Population wären nur durch Gräberfeldanalysen lösbar. Solange wir aber in dem Gebiet der Lengyel- und der Balaton-Lasinja-Kultur über das Bestattungswesen praktisch nichts wissen, werden wir der Lösung nicht näher kommen. Wegen des beinahe völligen Mangels an ökonomischen Angaben bleibt ein weiterer wichtiger Faktor der Geschichte des kupferzeitlichen Trandanubiens im Dunkeln. Demgemäß müssen wir klar aussprechen, daß dieses Problem aufgrund unserer heutigen Kenntnisse noch nicht lösbar ist. Es steht aber fest: Zur Zeit des Auftretens der transdanubischen Balaton-Lasinja-Kultur existierten schon die frühesten Siedlungen der gleichnamigen Kultur in Nordbosnien, Kroatien und Slowenien. (NEUGERAUER-MARESCH 1983-84, Taf. 3; Taf. 4. 8-11; KAZDOVÁ et al. 1994, Abb. 7. 1). Die ebenfalls viel erwähnten Schnabelhenkel der Spätlengyel-Kultur weichen aber typologisch stark von denen der Balaton-Lasinja-Kultur ab. Über die Schüsseln mit Ausguß, die ab Anfang der Lengyel Kultur benutzt waren, bewies N. Kalicz mit Hilfe von zahlreichen Beispielen, daß sie im Balkan ebenfalls beliebt waren (KALICZ 1995a, 39). PAVÚK-BÁTORÁ 1995, 123-123; RUTTKAY 1985a, 31; RUTTKAY 1995, 118 ff.