Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)

KATALOG - KREUZE

KREUZE 102. RELIQUIARKREUZ Abb. 102a-c Kopie des Kreuzes Ludwigs des Großen 1934.414. Aus Wien erhaltene Kopie Original: 14. Jh., aus der Zeit Ludwigs des Großen. Kopie: Ende 19. Jh. H: 43 cm; F-Dm: 26 cm; Querbalken-B: 17 bzw. 19 cm Erwerb: durch Rückerstattung auf Grund des Ver­trags von Venedig 1933 Silber, vergoldet, gegossen, graviert, email verziert. Der Fuß mit Vierpassteilung steht auf vier Löwen­tatzen. An der Seite des Fußes läuft zwischen hori­zontalen Gliederungen ein durchbrochenes geome­trisches Muster um. Auf der Wölbung des Fußes in glattem, 0,5 cm breitem Bandrahmen ein gravier­tes, vom punziert eingetieften Hintergund abgeho­benes Blattwerk. In der Mitte der Pässe im glatt ge­lassenen kleineren Vierpass emaillierte Platten, mit je zwei winzigen Nieten befestigt: einander gegen­über zwei vereinigte Wappen mit den ungarischen Balken und den Anjou-Lilien, zwischen ihnen das polnische Wappen mit dem gekrönten Adler. Die Wappen befinden sich in der Mitte der Pässe, auf den Pässen sehr abgewetzte Spuren vom mit Schraf­fierung unterlegten Email. Das geschwungen auf­steigende Blattwerk reicht bis zum oberen Ende des Fußes, dann folgt der gegossene durchbrochene Schaft mit hohen dreiteiligen gotischen Fenstern. In den Fenstern glitzert grünes Email. Dieser Teil reicht oben mit vier gegossenen Türmchen bis zur oberen kleineren, aber gleichfalls mit gotischen Fenstern und an den Ecken mit Säulen geschmück­ten Kapelle. Aufdieser trägt ein pyramidenförmi­ges, an den Ecken mit Ranken verziertes Glied den oberen Teil des Kreuzes: das Doppelkreuz. Auf der Vorderseite des Kreuzes befindet sich eine Kreuzreliquie unter einer Kristallplatte, die kürzer ist als die Balken, sodass die leeren Stellen vor den Balkenenden von emaillierten Platten mit dem un­garischen Balken- und dem Anjou-Lilienwappen belegt sind, am unteren Balkenende auf einer qua­dratischen Platte in grünem Email ein weißer Adler mit ausgebreiteten Flügeln. An allen sechs Balken­enden auf Vierpassblechen Edelsteinverzierungen: in der Mitte ein größerer geschliffener Saphir, um ihn abwechselnd kleinere schön gefaßte Smaragde und Rubine. Beim Kreuzungspunkt des unteren Balkens in den Ecken durch schmale Kristall­plättchen verbundene Lilien. Auf der Rückseite des Kreuzes, beim Treffpunkt der Kreuzbalken je ein Vierpass-Wappenbild: oben das Ungarn-Anjou­Wappen, unten das Doppelkreuz, neben ihnen in den Pässen abgewetzte Emaillierung. Auf den Kreuzbalken gravierte kleinblättrige Ranken, die mit transluzidem Email bedeckt waren. Die einst farbigen emaillierten Bilder auf den Balkenenden wurden gleichfalls mit transluzidem Email bedeckt: ganz oben auf einer eingetieften Platte die horizon­tale Inschrift „VERA PARTICULA S(anc)TAE CRUCIS" (Ein echtes Teilchen des Heiligen Kreu­zes). Auf den horizontalen Balkenenden erkennen wir die mit stark abgewetztem Email bedeckten Evangelistensymbole. Das Blech des untersten Pas­ses fehlt. Diese Bleche sind ebenso wie die Inschrift spätere Ergänzungen, auf Grund des Buchstaben­typs sind sie ins 16. Jh. zu datieren. Die Geschichte des Kreuzes ist sehr traurig: auf Grund des Vertrags von Venedig wurde es 1933 dem unga­rischen Staat zurückgegeben, es kam ins National­museum. Erst da wurde klar, dass es sich um eine recht geschickte Kopie handelt - doch nur sie allein stand damals zur Verfügung. Langsam wurde auch klar, dass das Kreuz am Ende des 19. Jh. zusammen mit anderen Stücken aus der Habsburger Schatzkam­mer dem Wiener Goldschmied Salomon Weininger zur Restauration übergeben worden war, der das Ori­ginal austauschte und dem Museum eine geschickte Kopie zurückgab. Wieso dieser Betrug von den Wie­nern nicht entdeckt wurde, ist heute schwer zu ermit­teln. Der Goldschmied teilte das originale Kreuz in zwei auf, später wurde das Stück aus dem 14. Jahr­hundert auf Auktionen versteigert und kam erst 1957 ins Wiener Kunsthistorische Museum (Inv.-Nr.D.25 1 ). Das Kreuz dürfte auf Grund der gravierten Fußver­zierung und der Edelsteinfassungen in den 70er Jah­ren des 14. Jh., also auf Bestellung König Ludwigs des Großen, sicherlich die Arbeit eines Hofgold­schmiedes sein. Der obere Teil des Originals, das Doppelkreuz, ist aus Gold. Die Vorderseite des Ober­teils ist vielleicht unversehrt, die emaillierten Ble­che der Rückseite sind spätere Ergänzungen. Dies dürfte die Ursache für die manchmal fehlerhafte Ko­lorierung der Wappen gewesen sein. Am originalen Standkreuz fehlt das Vierpass-Wappenblech, mei­nes Erachtens nach hat der die Fälschung herstel­lende Goldschmied die Originale repariert und zu­mindest diese auf das neugefertigte Stück gesetzt. Auf ihrer Rückseite entsprechen die auf den leeren Stellen erhaltenen eingeritzten Zeichen, mit denen sie bezeichnet wurden, genau der hiesigen Kopie.

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