Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)

DIE LITURGIE UND IHRE OBJEKTE

Die Gefäße haben oft Inschriften, die den Willen und Namen des Donators und die beschenkte Gemeinde nen­nen (Nr. 137, 138, 139, 149, 151, 155, 157, 159, 162). Hervorzuheben sind die zwei Gefäße mit dem Namen, dem Wappen und dem Text der Schenkung des Fürsten Georg I. Rákóczi: der Brózer-Kelch (Nr. 56, s. oben bei den Kelchen) und den Humpen von Mád (Nr. 154). Die interessanteste der Inschriften, die sich auf die Schen­kung beziehen, ist die der Kanne von Csenger (Nr. 138), die jeden bedroht, der sie sich aneignen will: „Sollte sie also jemand für andere Zwecke verwenden, soll der Se­gen Gottes nie auf ihm ruhen." Auf protestantischen Gefäßen finden sich am häu­figsten Zitate aus der Heiligen Schrift in ungarischer oder lateinischer Sprache: auf Patenen (Nr. 144, 146), auf Pokalen (Nr. 137, 148) und ebenso auf dem Brózer­Kelch und dem Humpen von Mád (Nr. 56, 154). Das Material ist einheitlich Silber, völlig oder teil­weise vergoldet. Ihrer Form nach können wir sie in mehrere Gruppen teilen: Deckelhumpen (Nr. 141, 147, 153, 154, 160, 161), Pokale ohne und mit Deckel (Nr. 139, 155), mit unten spitzem Becher (Nr. 142, 145, 148, 157), leicht kelchför­mige(Nr. 152,158) und glockenförmige (Nr. 162). Es gibt nur eine schlanke Kanne (Nr. 138), einen prachtvollen Krug aus Szikszó (Nr. 149), glatte Becher (Nr. 136, 140), darunter einen von echter gotischer Form, den von Huszt (Nr. 134), und Fußbecher (Nr. 143, 150, 151, 159). Der Pokal von Kecskemét ist ungewöhnlich, für seine Kuppa verwendete der Goldschmied die Spitze einer gotischen Monstranz (Nr. 145). Aus Csenger stammt ein ganz glat­ter, aber mit Inschriften versehener Kelch mit außerge­wöhnlich großer Kuppa und eine große Patene mit einer kurzen Inschrift. Im Unterschied zu den schon früher be­handelten Kelchen und Patenen ist bei diesen die genuine Verfertigung für die protestantische Liturgie evident. Obwohl die puritanische Auffassung keine Verzie­rung forderte, finden sich dennoch viele Zierelemente auf Objekten protestantischer Herkunft. Die meisten sind mit Gravierung geschmückt: die Kanne von Csenger (Nr. 138), der Humpen von Lőcse (Nr. 153) und zwei Becher (Nr. 140,143) mit schön graviertem Rankenwerk und Pflanzendekor. Der Becher Nr. 136 ist äußerst wich­tig, das Vorbild seiner Gravierung dürfte ein Stich von Schongauer aus dem 16. Jh. gewesen sein (FRITZ 1966, 569-570). Er ist vielleicht das einzige Stück der Samm­lung, bei dem der direkte Einfluss eines namhaften deut­schen Kupferstechers nachweisbar ist. Ein gravierter Blumenkranz umrahmt die Patene aus der Kirche von Felsővály (Nr. 146). Die reichste Verzierung trägt der Humpen aus der Kirche von Nemeskér (Nr. 161), seine gesamte Oberfläche ist dicht mit gravierten Szenen aus dem Alten und Neuen Testament bedeckt, zwischen ih­nen deutsche, lateinische und hebräische Inschriften. Graviert wurden außer den Schenkungsinschriften auch die Wappen: die der Familien Csáholyi und Sulyok (Nr. 137), das der Familie Máriássy (Nr. 139 und 144), der Familie Gotthard (Nr. 154), des streng lutherischen Lajos Szontagh (Nr. 153), das Wappen von György I. Rákóczi (Nr. 154) und das Stadtwappen von Selmecbánya auf dem Humpen von Nemeskér (Nr. 161). Zu den Objekten protestantischer Herkunft gehör­ten auch getriebene Gefäße. Die Tugenden zieren die Humpen Nr. 141 und 147, ein Schnecken- und Bänder­muster schmückt den Humpen von Mád (Nr. 154) und den Becher von Kondó (Nr. 159), eine prächtige Ver­zierung aus großen Blumen bedeckt den Humpen von Selmecbánya (Nr. 160). Eingefaßte Münzen zieren den Becher der reformierten Kirche von Ombód: drei he­bräische und zwölf römische Münzen. Zu den prachtvollsten Stücken der ganzen Gruppe gehört die Kanne von Szikszó mit ihren eleganten Pro­portionen, schön getriebenen Blattkränzen und ihrem Ausguss (Nr. 149). Da die Gegenstände dieser Gruppe im 16. bzw. 17. Jh. hergestellt wurden, weisen sie zum Teil auch Meister­zeichen auf, wir kennen also die Meister auch dem Na­men nach. Der früheste ist der Pokal von Sebastianus Aurifaber aus Lőcse, um 1571 (Nr. 129), der Kecskeméter Meister György Cseh fertigte den aus einer Monstranz umgearbeiteten Pokal (Nr. 145), und Pál Zilahy arbeitete um die Mitte des 17. Jh. in Kolozsvár (Nr. 148). Die Kan­ne der Kirche von Szikszó ist das Werk von Bálint Miskolci aus Debrecen (Nr. 149), der Szontagh-Humpen entstand in Lőcse (Nr. 153), in der Werkstatt des Paulus Kramer nobilis. Meister Stephanus Zongó aus Kassa schuf den Pokal von Felsőcsáj (Nr. 157), Bartholomeus Weigl den prachtvollen großblumigen Humpen der Evangelischen von Selmecbánya (Nr. 160) und Johan­nes Weidner den Humpen von Nemeskér (Nr. 161).

Next

/
Oldalképek
Tartalom