Kolba H. Judit: Liturgische Goldschmiedearbeiten im Ungarischen Nationalmuseum. 14.-17. Jahrhundert. (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Series Mediaevalis et Moderna 1; Budapest, 2004)
DIE LITURGIE UND IHRE OBJEKTE
Krankensakraments wurde in kleinen Ölbehältern aufbewahrt. Die Heiligenreliquien waren in prachtvollen Reliquiaren untergebracht. All dies sind in erster Linie Gegenstände der katholischen Kirche. Eine eigene Gruppe bilden die Gegenstände für die Zeremonien der protestantischen Kirchen, teils auf Grund ihrer Bestimmung und teils ihrer anderen äußeren Form und Verzierung. Selbstverständlich gibt es eine große Zahl von Gegenständen - vor allem bei den mittelalterlichen Kelchen -, die ursprünglich für katholische Kirchen bestimmt waren und in den Kämpfen der Reformation eventuell nach mehrmaligem Besitzerwechsel in derselben Kirche geblieben sind und so schließlich der protestantischen Liturgie dienten. Auch die liturgischen Handlungen änderten sich im Laufe der Zeiten. Die früheren, vorreformatorischen Riten sind hauptsächlich in der katholischen Kirche erhalten geblieben, obwohl während der Jahrhunderte vieles an der Liturgie erneuert worden ist. Die Protestanten brachten eine entscheidende Umgestaltung unter anderen in der Reformierung der Liturgie, die sie vereinfachten und zahlreicher Details der früheren Zeremonialordnung beraubten, aber auch wesentliche inhaltliche Änderungen vornahmen. Dies wird selbstverständlich auch an den erhalten gebliebenen Objekten sichtbar. Literatur Leider wurden die Zeugnisse der liturgischen Kunst in sehr wenigen zusammenfassenden Arbeiten dargestellt. Die erste und bis heute wertvollste Zusammenfassung des gesamten europäischen Materials ist die Riesenarbeit des Deutschen Joseph Braun aus dem Jahr 1932 (BRAUN 1932). Darin bearbeitete er aus typischer, technischer, formaler, dekorativer und ikonographischer Sicht mehrere tausend liturgische Gegenstände, indem er die große Auswahl in vasa sacra und vasa non sacra, à. h. in heilige und profane Gefäße, aufteilte. Glücklicherweise war ihm der Großteil des ungarischen Materials bekannt, sodass auch von ihm zahlreiche schöne Objekte als Parallelen gezeigt wurden. In einer dem Braunschen Buch ähnlichen Zusammenfassung ist das ungarische Material niemals behandelt worden. Die Meisterwerke der Liturgie erscheinen in der Darstellung einzelner Gegenstände, bestenfalls in der Publizierung einer kirchlichen Schatzkammer. Die zwei wichtigsten Zusammenfassungen der liturgischen Vorschriften aus dem 20. Jh. sind das Liturgische Lexikon, redigiert von Kühár und Radó (Liturgikus lexikon 1933), und das viel später, 1988 und 2001 erschienene letzte, die neuen liturgischen Regeln behandelnde Lexikon (Liturgikus lexikon 2001). Ausstellungen ausschließlich liturgischer Gegenstände fanden in den seit der Gründung des Nationalmuseums vergangenen zwei Jahrhunderten ebenfalls nicht viele statt. Die erste war die Kelchausstellung von 1913 (Ausstellung 1913), ihr folgte die kirchliche Ausstellung mit Ausstellungskatalog (Ausstellung 1930) im Kunstgewerbemuseum. Zuletzt war im Jahre 1981 im Kunstgewerbemuseum eine dieses Thema bearbeitende Zusammenfassung zu sehen: „Die Schätze ungarischer kirchlicher Sammlungen" (Ausstellung 1981). Darüber hinaus entstanden Studien über Einzelstücke oder mehrere Goldschmiedearbeiten gleichen Typs, oder die Kunstwerke je einer Kirche oder eines Gebietes, die selbstverständlich bei den entsprechenden Stücken genannt werden. Im letzten Jahrzehnt hat sich die Zahl ständiger Ausstellungen von kirchlichen Sammlungen und Bistumsschatzkammern, in denen das liturgische Material einzelner Bistümer gemeinsam vorgeführt wird, sprunghaft erhöht: so gibt es Ausstellungen der Schatzkammern in Esztergom, Győr, Szombathely, Gyöngyös, Székesfehérvár, Pécs, Szeged, Kalocsa und Eger, des weiteren der evangelischen Museen von Budapest und Sopron, der reformierten Kirche in Debrecen, Sárospatak, Kecskemét und Pápa sowie des Griechisch-Katholischen Museums von Nyíregyháza, die Sammlung für Serbische Sakralkunst in Szentendre und die Ausstellung im Museum der Ungarischen Orthodoxen Kirche von Miskolc. Deren Stücke werden in diesem Katalog selbstverständlich nur als Parallelen erwähnt, da er lediglich die im Nationalmuseum befindlichen Schätze enthält. Aber fast in jeder Sammlung finden sich Objekte derselben Bestimmung und Qualität, oft aus derselben Gegend, da ja zur Liturgie immer die gleichen Mittel gebraucht wurden und sich Unterschiede nur aus den abwechslungsreichen Techniken und Verzierungen ergeben. KELCHE (KAT. NR. 1-68) Der Kelch ist das am häufigsten gebrauchte liturgische Gefäß. Seine lateinischen Namen sind calix oder scyphus, manchmal auch poculum. Sie alle weisen darauf hin, daß es sich um ein Gefäß, um einen Becher handelt, mit dem bei den Katholiken der Priester in der Messe das heiligste Opfer darbringt und der bei den Protestanten bei der Austeilung des Abendmahls bzw. Herrenmahls gebraucht wird. Der Kelch ist die Verkörperung der Szene des letzten Abendmahles, Jesus „nahm den Kelch, und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des neuen Testaments/Bundes, welches vergossen wird für viele, zur Vergebung der Sünden" (Mt 26, 27-29).