Lovag Zsuzsa: Mittelalterliche Bronzgegenstände des Ungarischen Nationalmuseum, (Catalogi Musei Nationalis Hungarici. Seria Archeologica 3; Budapest, 1999)

Einführung - Die mittelalterlichen Bronzegegenstände des Ungarischen Nationalmuseums

ein bis zur Hüfte erhaltenes Bruchstück einer Männergestalt mit spitzer Kappe, befindet sich im Nationalmuseum (Kat. Nr. 160). Erwähnung verdient ein Handkerzenleuchter ebenfalls aus dem 15. Jahrhundert, unter dem aufragenden, in einer dreiblättrigen Palmettc endenden Schwanz einer Drachenfigur mit flachem Leib befindet sich ein ringförmiger Griff (Kat. Nr. 159). Die Mehrheit der spätmittelalterlichen Kerzenleuchter der Sammlung bilden Bruchstücke, die das Museum von Sammlern und Händlern übernahm und deren Her­kunftsort unbekannt ist. Die sechsseitigen, an je zwei Seiten durchbrochenen Kerzenleuchterhülsen - manchmal zusammen mit von Lilienreihen gesäumten Tropfen­fängertellern - gehörten zu Fuß- oder Wand-Kerzen­leuchtern, oder eventuell Kronleuchtern und vertreten unbedeutende Massenware. Aquamanilen (Kat, Nr. 183-191) Zu den zweifellos interessantesten und variantenreichsten Erzeugnissen des mittelalterlichen Bronzehandwerks gehören die figuralen Gießgefäße, die Aquamanilen. Der größte Teil der ungarischen Aquamanilen - neun Stück - finden sich in der Sammlung des Nationalmuseums, darunter sind Importstücke ebenso vertreten wie solche aus dem Inland. Zu den in Ungarn hergestellten gehören zwei einen reitenden Jäger darstellende Gefäße (Kat. Nr. 183, 184), die zu einer Gruppe von insgesamt sieben Stücken in verschiedenen europäischen Museen gehören. Alle sieben Aquamanilen stellen einen auf dem Pferd sitzenden Jäger mit Schild und Jagdhorn, einem am Hinterteil des Pferdes stehenden Hund und - meistens - einem reliefartigen Wild an der Seite des Pferdes dar. Drei von den sieben Stücken kamen auf dem Gebiet des mittelalterlichen Ungarn aus der Erde zum Vorschein, das dritte neben den beiden im Nationalmuseum wurde in den Trümmern einer zerstörten mittelalterlichen Kirche in Nagycsalomia (Velká Calomia, Slowakei) gefunden. Die Fundstelle von zwei weiteren ist bekannt (Dänemark bzw. Schweden), während zwei von unbekannten Fundorten aus der Pariser Basilewsky bzw. der Wiener Figdor­Sammlung an ihren heutigen Aufbewahrungsort in der Ermitage bzw. dem Berliner Kunstgewerbemuseum gelangten. Die Gruppe reitender Jäger hielt Otto von Falke für eine skandinavische Variante der Aquamanilen in Rittergestalt aus dem Rheingebiet, doch ist diese Annahme aus mehreren Gründen unhaltbar. Einerseits sind die Jäger-Aquamanilen aufgrund der Pferdegeschirre und der Tracht der Jäger früher entstanden als ihre von Falke vorausgesetzten Vorbilder, und andererseits sind die Form der Pferde, der Jagdhund auf dem Pferd und auch das Wild den rittergestaltigen Gießgefäßen völlig fremd. Unsererseits entdeckten wir die Formvorgänger der Jäger-Aquamanilen unter den tiergestaltigen Räucher­und Wassergefäßen in den orientalischen islamischen Gebieten, im Kaukasusgebiet, Dagestan und Persien, die unabhängig von den eine entscheidende Rolle bei der Hcrausgestaltung der westeuropäischen Aquamanilen spielenden arabischen Vorbildern den Stil der Jäger­Gruppe beeinflußt haben. Ihre Entstehung in Ungarn wird wiederum von der auch historisch belegten Beziehung gestützt, die zwischen der auch bei der Münzprägung des Königreichs Ungarn eine Rolle spielenden muslimischen Bevölkerung und den orientalischen islamischen Gebieten bestand. Es kann kein Zufall sein, daß sogar drei Stücke der Gruppe im Karpatenbecken gefunden wurden, wobei die spätere Datierung des Aquamaniles von Nagycsalomia auf die lokale Tradition der Jäger-Aquamanile folgern läßt. Zum Schluß sei erwähnt, daß die ungarischen Figuren sowie der Stockholmer und Berliner Jäger aus Bronze - und nicht aus dem für die westeuropäischen Aquamanilen typischen Messing - bestehen und daß diese unter­schiedliche Materialverwendung auch für die Prozessions­kreuze typisch ist. Von den weiteren Aquamanilc-Importstücken, darunter von dem Gefäß in Kentaurform (Kat. Nr. 186), das aus der Werkstatt des Hildesheimer Taufbeckens stammt, und von einem Löwen mit Frauenkopf ebenfalls aus Niedersachsen (Kat. Nr. 187) wissen wir mit Sicherheit, daß sie schon im Mittelalter nach Ungarn gelangten. Die übrigen kamen vermutlich im Ergebnis neuzeitlicher Sammlertätigkeit schließlich ins National­museum. Das am meisten publizierte Stück ist ein aus der Sammlung des namhaften Sammlers Miklós Jankovich aus dem letzten Jahrhundert angekauftes Aquamanile in Frauenkopfform (Kat. Nr. 185). Die Fachliteratur äußert sich sehr verschieden über den Herkunftsort des Stückes, und von Zeit zu Zeit taucht auch - nicht zuletzt aufgrund mehrerer neuzeitlicher Varianten - der Verdacht der Fälschung auf. (Zu den neuzeitlichen gefälschten Varianten s. LOVAG 1984.) Von dem den überwiegenden Teil der mittelalterlichen Aquamanilen bildenden löwengestaltigen Typ gibt es in der Sammlung nur ein in Niedersachsen gefertigtes Exemplar aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (Kat. Nr. 188), die übrigen drei - ein Pferd, einen Hund und einen Hirsch darstellenden - Gefäße entstanden in verschiedenen Gegenden Deutschlands an der Wende des 14-15. Jahrhunderts und am Anfang des 15. Jahrhunderts (Kat. Nr. 189-191). Von den auf ungarischem Gebiet gefundenen

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