KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)

Zweiter Abschnitt: Romanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz

preist ihn als Zeus, „des unbekannten Vaters" Erstgebornen, als Quell von Geist und Leben, Ursprung des Lichtes, Auge der Welt und gött­liche Zierde. Er kann allein den überweltlichen Vater erschauen, er gibt Mass den Bahnen der Planeten, steht in ihrer Mitte, weist den Sternen die Fährte. Aber das Gebet der Philologie artet wieder aus in Zahlenspielerei, Wissensauskra­men von Allegorien und Sonnenkulten." „In höherem Feuerkreise sitzt Mars, von dem der Höllenfluss zur Unterwelt her­niederfliesst : Krieg und Totenreich verbin­dend. An Jupiters heilsamem Schein und lindem Weiss vorbei, gelangen die Himmelsreisenden zu Saturn, dem Vater der Götter. Sein Ring tönt in rauher dorischer Weise. Saturn trägt die Bil­der des Drachen, des Löwen und die Hauer des wilden Ebers als Symbole des Unglücks. Philo­logie erschrickt vor ihm und flieht zum eigent­lichen Himmel, wo sie sich samt Juno ausruht. Sie springt von ihrem Tragbett und bestaunt die Gefilde unermesslichen Lichtes, die Lieblich­keit ätherischer Ruhe, die leuchtenden Kugeln der Sterne, die Himmelsachse (!) und die gewal­tige Drehung des ganzen Himmelsraumes. Sie erkennt die Seligkeit des Himmelsherrn und betet zu ihm und seiner Geisterschar. Dann wird sie von der sie heiligenden Milchstrasse (!) genetzt, auf der sie zur Götterversammlung fährt !" „Mitten in der Milchstrasse (!) steht Jupiters silberschimmerndes Haus ..." Und dann folgt die Hochzeit mit Merkur — schon im Glorienschein des höchsten Himmels, des Universums ! Und nochmals möchte ich nach diesem längeren Zitat aus dem erwähnten Werke von Paul Th. Hoffmann auf die ausführliche Be­schreibung der praktischen Anwendung des von mir im ersten Band meiner GTT beschriebenen Oxforder „Zauberorganiolus" in den Kommen­taren und in der Übersetzung Notkers aufmerk­sam machen. Sie steht in der schon erwähnten Ausgabe von Piper im Band I. von S. 773 bis S. 782 unter den Titeln „Coniectura ex numero" und „Quod nuptiales numeri in unum compacti perfectionem ostendunt". Man möge diese Be­schreibung Notkers genau durchstudieren ! Sie bietet uns eigentlich eine wirkliche Lösung des Problems, das ich im Zusammenhange mit dem Oxforder Organiolus schon S. 176 des ersten Bandes meiner GTT genau untersucht hatte ! Notkers Capella-Ubersetzung ist also jenes Bindeglied, welches durch den mittelalterlichen Schulbrauch den Begriff von einem „Zahlen­organiolus" und von dem Zusammenhang zwi­schen Menschenleben und zwischen den Zahlen­verhältnissen der Musik und der Planeten durch das ganze Mittelalter hindurch am Leben hielt ! Nun wird es uns nicht mehr wundernehmen, wenn wir sehen, dass die „Danse-Macabre"­Kirchhofstänze ebenfalls mit diesen Orakelspiele­reien des Volksaberglaubens und zugleich auch mit den mystischen Darstellungen des Weltalls und des Kreuzbildes zusammenhängen ! Dies ist dann aber auch die Ursache, wa­rum der mittelalterliche Tod mit dem Menschen „Würfel" und „Schach" spielt ! Beide Spiele sind Zahlenspielereien .. . Die Komtesse Ersilia Cae­tani Lovatelli erwähnt in ihrer Thanatos-Studie, 1 dass man den Toten in der klassisch-antiken Zeit Würfel ins Grab mitgegeben hatte und dass dies nicht nur soviel bedeuten will, dass das Leben ein launisches Spie! des Schicksals sei, sondern dass die Würfel später auch in christ­lichen Gräbern, den Toten beigelegt, hohe reli­giöse Bedeutung haben. Der Tote möge jener göttlichen Vollkommenheit teilhaftig werden, wel­che durch den „cubus" angedeutet wird ! Es ist der „cubus symphonicus" des mystischen Kreuz­bildes im Evangeliar der Uta ! War denn eine derartige Zahlenspielerei in kirchlichen Kreisen möglich ? Davon möge die erste deutsche Dichterin, die Nonne Ros­witha oder Hrotsvitha (um 965) ein sicheres Zeugnis ablegen ! Die Dramen Hrotsvithas behandeln ziem­lich häufig jene weltanschaulichen Fragen, über welche wir am Anfang unserer Ausführung eben­falls sprachen. In dem Stücke „Sapientia" , im „Leiden der heiligen Jungfrauen Fides, Spes und Caritas", 2 erklärt eine der Jungfrauen, Caritas, dass sie sich voneinander nie trennen werden, weil doch ihr Wollen, Fühlen und Denken nur eines und dasselbe seien, — als wollte sie schon damit andeuten, dass die drei Tugenden ebenso nebeneinander stehen, wie die drei Funktions­kräfte einer Seele, welche wieder das Spiegel­bild der Dreifaltigkeit sind. Die Mutter Sapientia verwickelt übrigens den Kaiser Hadrian-, der die drei Jungfrauen und ihre Mutter zu einem Opfer an die Götter bewegen will, in einen Diskurs über arithmetische Fragen. Als nämlich Hadrian sie befragt, wieviel Jahre die Kinder vollendet hätten, antwortet die Mutter Sapientia, dass „Caritas an Jahren eine Zahl vollendet, die viel­fach-grade und in sich verkleinert ist ; Spes aber eine Zahl, die auch in sich verkleinert, doch grade-ungrade geheissen wird ; und Fides end­lich eine Zahl ungrade-grade und in sich ver­mehrt". Es handelt sich dabei um die Zahlen acht, zehn und zvvölf. 3 Sapientia, die Mutter der Fides, Spes und Caritas, zitiert dabei fast wört­lich die Zahlentheorie des Boéthius aus seinem Werke „De arithmetica", liber I, cap. IX, X, XI und XX. Es lohnt sich freilich von unserem Standpunkte aus gesehen nicht besonders, diese Zahlenspielereien eingehender zu schildern. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass Sapientia die Zahlen in „Kettenreihen" untersucht und das erste Glied einer jeden Zahlenkette „das kleine Ende", das letzte dagegen „das grosse Ende" 1 Vgl. die deut. Ubersetzung von Eug. Petersen. Leipzig 1891, S. 30-31. - Vgl. die Ausgabe in Reclams Universal-Bibl. „Die Dramen der Roswitha von Gandersheim", übersetzt von Ottomar Piltz. Verl. Phil. Reclam jun. Leipzig. S. 154 ff. 3 Vgl. die Ubersetzung von Piltz, a. a. 0. S. 158 — 161.

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