KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE II. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 5. (Budapest, 1944)
Erster Abschnitt: Germanische Weltanschauungs-elemente im Totentanz
und mit naiver Lust an solchen äussersten Gegensätzen auch ausgemalt. 1 Der Mensch wird in dieser Gegensätzlichkeit unsicher gegenüber Gott und Welt und fühlt sich so unfrei, wie die auf dem Lebensrade vom Tod gedrehten, emporgehobenen und niedergestürzten Lebensalter ... Und doch ist etwas noch in dem tollen Durcheinander des „Danse-Macabre-Kirchhofstanzes" von dem altgermanischen Helden der Mythen, der den Tod „lachend erträgt" und den Zeitpunkt seines Lebensendes vorauswissend, gleichsam noch in seinem Leben den „Todesweg" bewusst und willentlich betritt. 2 Und die Betonung der „Guten Tat" in den Everymanerzählungen ebenso gut, wie auch in den Totentänzen selbst, erinnert an den Schluss der Hávamál-Wissensdichtung in den Eddaliedern, an die letzten Worte in diesem „Liede des Hohen": „Eins weiss ich, das ewig lebt: des Toten Tatenruhm". 3 Die Standesvertreter der Totentanzreihen schreiten eigentlich noch während ihres irdischen Lebens den Todesweg. Dasselbe sagt auch der Spruch der Nornen : „Und nur ein Wissen gibt es vom Leben : das ist der Tod. Zu ihm führt am Ende das Schicksal". 4 Das frühgermanische Lebensgefühl ist also ebenso ein Todesgefühl, wie das Lebensgefühl jener Lebensalter- und Stände-Personifikationen, die sich auf dem Lebensrade auf und ab bewegen und im Totentanz mit dem Tod oder mit den Toten dialogisieren. Alle diese Gegensätzlichkeiten im Totentanz können nur eine Erklärung haben : Es kommt in ihm das altgermanische Menschheitsideal, die Neigung zur Gegensätzlichkeit, zur Geltung. Und wenn wir dann nach dem Verhältnis forschen, in welchem die Totentanzmotive romanischen und germanischen Ursprungs im Rahmen der Totentänze zueinander stehen, so dürfte man sich noch einmal an jene Analogie aus dem Bereich der Musikgeschichte erinnern. Dort war der terzlose Akkord mit dem Grundton, mit der Quint und der Oktave, wohin die'Quint strebt, ein charakteristisches Zeichen der romanischen Weltanschauung, während die Terz, welche bald Dur-, bald Mollstimmung in diesen terzlos-sphärischen Akkord hineinführt, als eine germanische Erfindung erkannt wurde. Nun entspricht dem romanischen Grundakkord ohne Terz die Everymanlegende, deren Everymangeschehnisse in der „Gesamtlegende" weiter ausgebildet und entwickelt wurden. Die kleine Terz mit ihrer Mollstimmung ist die Everyman-Todesgestalt, die grosse Terz mit einer Durstimmung dagegen ist der übermütige „Danse-Macabre-Kirchhofstanz". Beide Verzweigungen, die Todeslegendenform, sowie auch die Totenlegendenform der „Gesamtlegende", sollen also demnach eine „germanische Erfindung" sein. Wenn wir also später hören 1 Rehm, a. a. 0. S. 105. 2 Rehm, a. a. 0. S. 15. 3 Rehm. a. a. 0. S. 13. 4 Rehm, a. a. O. S. 12; daselbst auch. Anm. 1. werden, dass die Subiacoer Legendenform mit einer Beziehung des Klosters Sacro Speco zum Benediktinerkloster in Melk erklärt werden könnte, wenn wir später feststellen müssen, dass die „Danse-Macabre"-Totenlegendenform der „Gesamtlegende" auf deutschsprachigem Boden in der Schweiz entstanden ist und aus Flandern nach Italien eingeführt wurde, so werden wir wieder zugeben müssen, dass hier eine altgermanische Weltanschauungsrichtung noch immer lebendig mitgewirkt hat. Diese folgenden Ausführungen sollen uns zeigen, inwiefern die germanischen Weltanschauungselemente in dem Totentanz weiterwirken konnten . . . 3. Religionsgeschichtliche Vorbedingungen „Die Gottheit ist im Werdenden und Sichverwandelnden, aber nicht im Gewordenen und Erstarrten ..." — so sagt es Goethe. Aber gerade darin liegt der grosse Unterschied zwischen einem etwaigen „germanischen Gottheitsbegriff" und der christlichen Weltanschauung. Angenommen, dass Goethes Wort wirklich jenen Gottheitsbegriff zum Ausdruck bringt, der die Weltanschauung der Urgermanen charakterisiert 1 Es ist allerdings sehr richtig, wenn Prof. Hermann Güntert (Univ. Heidelb.) in seiner höchstwertvollen Studie „Altgermanischer Glaube nach Wesen und Grundlage" 5 feststellt, dass Odin das Wort „Wurd", nordisch „Urdr", seinem am Scheiterhaufen liegenden toten Sohne ins Ohr geraunt haben mag, da doch dieses Wort den Inbegriff der ältesten germanischen Weltanschauung zum Ausdruck bringt, und nach der Analogie des lateinischen „verto" das „Drehen", das „Neugeborenwerden", eigentlich eine Art Reinkarnation bedeutet, doch möchte ich einiges über die richtige Auffassung der alten Religionen und u. a. auch der germanischen Urreligion sprechen, da mein auf dem Grunde der bisherigen vergleichenden Religionswissenschaft aufgebautes System mit den späteren Totentanzerscheinungen in einem sehr engen Zusammenhange steht. Ich beginne meine Ausführungen nach Güntert mit den Darstellungen eines alten nordischen Grabes, welches man an der Ostsee in Südschweden, im östlichen Schonen, entdeckt hatte. Bei dem Dorfe Kivik im Kirchspiel Mellby, am Rande eines dunklen Eichenwaldes, in der Nähe einer Schiffssetzung am Meere, neben der Landstrasse,'' wurde im Sommer 1748 von zwei Männern eine etwa vier Meter lange, etwas über einem Meter hohe und fast ein Meter breite Grabhöhle entdeckt. Die beiden Männer wollten auf einem sehr 5 Carl Winter, Heidelberg 1937, S. 64. 0 Güntert, a. a. 0. Tafel 2, Fig. 4.