KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)
DRITTER TEIL. Entwicklung der Todes-Tanz- und Toten-Tanz-Motive in der lehrhaften Dichtung des Mittel-alters und in den Urtypen der Todes- und Toten-Legenden - ZWEITER ABSCHNITT. Grundformen der Todes- und Toten-Legenden
in Fülle, in denen der Tote die nahe Sterbestunde eines Lebenden verkündet, entweder aus Dankbarkeit für einen ihm erwiesenen Dienst, oder aus Rache wegen eines gegen ihn verübten Übels. Für diese Motivvarianten wurden schon zahlreiche Belege mitgeteilt. Hier sollen nur einzelne, mir zugänglich gewordene Angaben der sog. Basler Totenlegende eingehender untersucht werden. Ich nenne sie „Basler-Totenlegende", weil sich ihre interessanteste und vielleicht auch älteste, bekannte bildliche Darstellung einst in der Kirche St. Jakob an der Birs bei Basel befand. Die Legende scheint sich in der Schweiz überhaupt einer grossen Beliebtheit erfreut zu haben, denn während das Freskobild in St. Jakob vielleicht schon im XIV. Jahrhundert entstand, wurde in Muttenz, ebenfalls in der Nähe von Basel, die West-Mauer des Beinhauses mit einer Illustration derselben Legende geschmückt, deren Entstehungszeit ins XVI. Jahrhundert fällt. Die Fresken in der Marienkirche zu Kolberg aus d. J. 1492, dann an der Aussenwand des Beinhauses von Baar im Kanton Zug und in der Totenkapelle zu Wil im Kanton St. Gallen können als Parallelerscheinungen jener Darstellung in St. Jakob aufgefasst werden. Die Bedeutung der Basler-Totenlegende liegt in dem Einfluss, den sie auf die Legende der drei Lebenden und drei Toten ausübte. Dieser Einfluss kann mit jenem Zusammenhang begründet werden, in welchen sie gerade durch den Pseudo-Cyrillus-Brief mit der Legende von drei zum Zwecke des Jenseitsberichtes auferweckten Toten geriet. Während nämlich schon in Metz die Legende der drei Lebenden und drei Toten in die Everymanlegende aufgenommen und zur Vision eines Bekehrten wurde, welche sich in der Gegenwart eines im Walde wohnenden Eremiten abspielte (wie in Cremona), bekamen in einer Trienter, Berliner und in einer von Holland aus nach Italien gebrachten Variante 'Breviárium Grimani) die drei Toten eine feindliche Haltung, richteten sich gegen die „untreuen Freunde" Everymans auf, brachten ihnen Verderben und traten dann in Clusone an die Stelle des Todes im Todes-Triumphe. Die Basler-Totenlegende ist also die eigentliche Quelle des Toten-Tanzes. In der nächsten Nähe Basels herrscht schon seit dem X. Jahrhundert eine Totensage, in der die Toten den bedrängten Lebenden zu Hilfe kommen. 1 Als die noch heidnischen Ungarn die Stadt Solothurn i. J. 954 angegriffen haben und die Verteidiger der Stadt den Kampf hoffnungslos aufgeben wollten, zog sich eine Truppe der Bürger in den St. Stephanus-Kirchhof der Stadt Solothurn zurück, wo sie noch bis spät in die Nacht den tapferen Angriffen der ungarischen Truppen widerstanden. Auf das Gebet eines Anführers der Bürger sind die Toten des Kirch1 Henne-am Rhyn : Die deutsche Volkssage. Hartleben. 1879. Nr. 991. hofes mitternachts auferstanden, hoben sich ails ihren Gräbern, waffneten sich mit den Waffen der Gefallenen und mit Gerätschaften, welche sie im Kirchhof vorfanden, und überfielen die ungarischen Krieger. Als diese nach der Sage die schrecklichen Totengestalten erblickten, flohen sie entsetzt davon und verliessen die Gegend. Von den unzähligen Applikationen dieser Sage, welche fast in jedem Lande Europas örtlich gefärbt aufgezeichnet wurde, erwähnt die Sammlung „Sagen aus dem germ. Altertum" der Deutschen Literatur 2 einen Fall aus Wehrstedt bei Halberstadt : „Tote aus den Gräbern wehren dem Feind. Wehrstedt, ein Dorf nahe bei Halberstadt, hat nach der Sage seinen Namen davon erhalten, dass bei einem gefahrvollen Überfall fremder Heiden, da die Landesbewohner der Übermacht schon unterlagen, die Toten aus den Gräbern aufstanden, diese Unholde tapfer abwehrten und so ihre Kinder retteten". 3 Die Legenda Aurea, in welcher der PseudoCyrillus die Legende von den Siebenschläfern fand, lieferte ihm auch in diesem Falle wertvolle Beiträge. Im Abschnitt „Von aller gläubigen Seelen Gedächtnis" 4 bringt die Legenda Aurea einen Prototyp der Basler Totenlegende, in welchem die Toten einen Lebenden gegen seine Feinde beschützen. Sie tun das hier aus Dankbarkeit für die Gebete, welche der Lebende zu Gunsten ihres Seelenheiles betete. Dabei nennt der Verfasser auch sein Vorbild, Petrus Cantor oder Praecentor Parisiensis (geb. in Gerberoi, Diöz. Beauvais, aus dem edlen Geschlecht der Hosdenc ; 1196 zum Domdekan in Reims gewählt, starb er auf der Reise dahin im Zisterzienser-Kloster Longpont am 22. Sept. 1197). Dieser berühmte Theologe des XII. Jahrhunderts, der u. a. auch Lehrer der Reimser Domschule, Kanonikus und Kantor daselbst und in Paris, sowie nicht bestätigter Bischof von Tournai war, beschreibt dieses Wunder als den Lohn der Tugend der Andacht. 5 Es stehe hier der Text nach Benz : „Wie genehm den Abgeschiedenen die Gebete der Lebenden sind, ist aus dem zu ersehen, was Cantor Parisiensis erzählt. Es pflegte einer, wenn er über den Kirchhof ging, allezeit den Psalm De profundis zu sprechen für die Toten. Es geschah, dass er von Feinden verfolgt ward, und über den Kirchhof floh, da stunden die Toten auf, ein jeglicher mit seinem Handwerkzeug, und beschirmten ihn kräftiglich wider seine Feinde, dass sie voll Schreckens von dannen flohen". Anschliessend erzählt noch die Legenda Aurea ein ähnliches Wunder nach Petrus von Cluny: „Petrus v. Cluny erzählt, dass ein Priester, der jeglichen Tag die Totenmesse 2 ed. G. Neckel ; Bd. I. S. 84. 3 vgl. ders. a. a. 0. Bd. II. Leipz. 1935. S. 13: „Wie - die Toten dankbar sind." Nach Wolf Nr. 386. 4 vgl. die Obers, v. Benz. Bd. II. Sp. 346. 5 vgl. Verbum abbreviatum, Möns 1638; Migne, Patr. lat. CCV, Sp. 3 ff. und die Schrift zweifelhafter Echtheit De miraculis quibusdam sui temporis.