KOZÁKY ISTVÁN: A HALÁLTÁNCOK TÖRTÉNETE I. / Bibliotheca Humanitatis Historica - A Magyar Nemzeti Múzeum művelődéstörténeti kiadványai 1. (Budapest, 1936)

ERSTER TEIL. Einführung in den Stand der neuesten Forschungsergeb nisse

Als Sammelname für sämtliche Arten der mittelalterlichen Totentänze kann daher „Danse Macabre" auch heute noch in seinem vollen Recht belassen werden. Im Deutschen hat der Totentanz wieder einen anderen Namen. Der achtzeilige oberdeut­sche Totentanz heisst ausdrücklich „der Doten Dantz" und bis zur Einführung der neuesten Schreibweise schrieb man „Todtentanz", d. h. „Der Tanz der Toten". Auch- der Gespenster­Todestanz und der Todes-Tanz wurde im Deut­schen nur Todtentanz genannt. Wir gedenken den Namen „Todtentanz" allein für den „Gespenster-Todestanz", d. h. für den „Toten-Todes-Tanz" festzuhalten, nicht nur deswegen, weil der Name ja direkt dieser spe­ziell deutschen Mischgattung der Totentänze entspross, sondern weil der Name auch in sei­ner Schriftweise kundgibt, dass das deutsche Volk in der Skelettgestalt der „Gespenster-To­des-Tänze" den Tod und einen Toten gleich­zeitig zu erkennen glaubte. Die drei Totentanzarten des Mittelalters könnten also begrifflich durch folgende drei Na­men rein auseinander gehalten werden: Todes­Tanz, Toten-Tanz und (für Toten-Todes-Tanz) Todtentanz. IL Motiv Als abstrakte Lehre der vergleichenden Literaturwissenschaft auf dem Gebiete des To­tentanzes können folgende motivgeschichtliche Regeln festgestellt werden : a) Vor der Untersuchung der Entstehungs­geschichte eines Motivs soll dieses Motiv durch Analyse von allen nebensächlichen Erschei­nungen befreit werden. Erst nachdem man zwischen dem Grundgedanken und den Be­gleitmotiven scharf unterscheiden kann, soll in literarischen und künstlerischen Werken nach Vorbildern, Quellen, Parallelerscheinungen ge­sucht werden. Dieses Verfahren verhütet den unwissenschaftlichen Versuch, die einzelnen Angaben unbedingt in eine einseitige Theorie zu zwingen. Erst nachdem alle Motive eines jeden Werkes genau analysiert wurden, las­sen sich die Erscheinungen nach ihrer Ent­wicklungsstufe und Entstehungszeit in eine Reihe stellen. b) Diese Reihe bedeutet aber keinesfalls, dass die Dichter der nachstehenden Werke auch tatsächlich aus den vorhergehenden Mo­tivparallelen geschöpft hätten, ausser wenn ein­zelne Worte, Ausdrücke, Textstellen, einzelne Teile der Bilder mit den Produkten eines frühe­ren Zeitalters auffallend übereinstimmen. Bilder und Begleittexte dürfen nicht voneinander unabhängig beurteilt werden. c) Die dritte Regel bezieht sich nicht auf die Forschungsmethode, sondern auf die Ent­wicklungsweise der Motive. Die Fiktion von der „dichtenden Volksseele" ist nicht praktisch genug, um einzelne Erscheinungen der. Ge­schichte der Totentänze zu lösen. Die Motive sind in ihrer Entstehung individuelle Erfindun­gen eines Dichters und eines Künstlers. Der Totentanz ist nicht deswegen in Frankreich oder Italien entstanden, weil zur Zeit der ersten To­tentänze eine grosse Pest gewütet hat oder weil in Frankreich zu derselben Zeit die religiö­sen Verhältnisse besser waren, als anderswo. Wieviel Pestzeiten und wieviel religiöse Um­wälzungen hat die Menschheit schon mitge­macht 1 In keinem Falle ist die Skelettdarstel­lung des Todes oder der „Totentanz" entstan­den, nur gerade am Ende des XIV. Jahrhun­derts. Die Berufung auf den „Volksgeist" gibt keinen sicheren Anhaltspunkt. Die Entwicklung des Totentanzes liefert für die moderne „Gei­steswissenschaft", unter deren Schutz so mancher Unfug getrieben wird, eine sehr wichtige Be­obachtung. Die von einem Schöpfergenius erfun­denen Motive müssen ein bestimmtes Alter er­reichen, um „allgemein bekannt" zu werden. Der Dichter, der Künstler und sein Werk, die Quelle des Motivs, wird vergessen. Das Motiv wird bei normalen Verhältnissen in ca. 50 Jah­ren Gemeingut der Menschheit. Ist es während dieser Zeit nicht durch einen anderen Künstler oder Dichter neu ins Leben gerufen worden, so geht das Motiv wieder gänzlich verloren. Dass der Tod als ein Skelett dargestellt wird, ver­steht sich heute von selbst. Aber auch diese Darstellungsform musste entweder im Mittelal­ter erfunden oder von einer älteren Kulturepoche übernommen werden. Als der Totentanz ent­stand, war dieses Motiv schon „allgemein menschlich" bekannt. Den Zusammenhang ei­nes Tot entanzes mit einem älteren Werk fest­zustellen, ist also nur durch die Übereinstimmung anderer Begleitmotive möglich. Als aber die Totentanzform in ganz Europa verbreitet wur­de, waren auch diese vermittelten oder erfun­denen Begleitmotive allgemein bekannt. Die Motive dringen also aus dem Individuellen ins Allgemeine. Schliesslich siegt das Unterbewusst­sein über das Bewusstsein. Das allgemein menschlich gewordene Motiv kann gerade des­wegen, weil es mit der Zeit in den Schatz un­serer unterbewussten Kenntnisse aufgenommen wurde, nicht mehr neu entdeckt, sondern von jedermann gedacht werden. d) Das „Allgemein-Menschliche" macht aus einem Individuellen einen Typus. Das hat für die Motivgeschichte einen besonders grossen Wert. Unsere Forschungen müssen also so weit zurückreichen, bis die vom „allgemein mensch­lichen" Unterbewusstsein bedingten typischen Darstellungen aufhören und die einzelnen indi-

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