Nagy Ildikó szerk.: Székely Bertalan kiállítása (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1999/2)
BAKÓ, Zsuzsanna: FORSCHUNGSBEITRÄGE ZUM OEUVRE VON BERTALAN SZÉKELY
Die Bildnismalerei Székelys zeigt in der frühen Schaffensperiode des Malers eine gewisse Unausgeglichenheit. Bei seinen allerfrühesten Porträts gibt es Anzeichen für eine Anpassung an die klassischen Traditionen. Das 1858 gemalte Bildnis der Sophie Aichelburg entstand aller Wahrscheinlichkeit nach einer Vorlage, denn die Abgebildete ist nach der Aufschrift auf der Rückseite des Bildes bereits 1829 verstorben. So folgte das Bild offensichtlich auf Wunsch des Auftraggebers dem Stil eines als Vorlage dienenden Gemäldes oder Stiches (Abb. 21). Székelys Bildnismalerei insgesamt ist zumeist von der romantischen Anschauung geprägt, bei der der Gefühlsausdruck im Vordergrund steht, doch finden wir anfangs auch einige realistisch-naturalistische Bildnisse, wie z. B. den akademischen Studienkopf Alte Frau oder das Bildnis vom Vater des Künstlers (Kat.-Nr.: 12, Kat.-Nr.: 42) und frühe Porträtzeichnungen. Diese unbeschönigte naturalistische Anschauung des Realismus war seinerzeit in der ungarischen Malerei gänzlich ohne Beispiel. In der deutschen Malerei können wir einen ähnlichen Stil- und Anschauungswechsel beobachten. Mit der Malerei Székelys verwandte Züge finden wir im Schaffen von Anselm Feuerbach, dessen 1852/53 entstandenes Bildnis eines älteren Herrn ebenfalls eine naturalistische Auffassung zeigt und der sich, ebenso wie Székely, dann ab 1860 der Richtung der romantischen Porträtmalerei zuwendet (Abb. 22). Die Erscheinung dieses Stilwechsels kann auf ein Grundproblem der Malerei, auf den Fragenbereich Rationalität-Idealisierung, zurückgeführt werden, mit dem sich Székely seit 1858, dem Beginn seines Jugendtagebuches, in zahllosen Artikeln, Studien und theoretischen Arbeiten befaßt. Am Anfang seiner frühen Schaffensperiode kann Székely diese beiden gegensätzlichen Betrachtungsweisen noch nicht in einer Einheit sehen. Am deutlichsten wird das Problem von János Dobai formuliert: „Von da an (1858) finden wir ständig Erörterungen, in denen er die Treue zur Natur und die Poesie der künstlerischen Darstellung als selbständige künstlerische Faktoren auffaßt: erstere betrachtet er als notwendige Grundlage, letztere als Kennzeichen der wahren Kunst, und er kann sie noch nicht in einer Einheit sehen, die beides beinhaltet." 90 Diese Einheit scheint sich dagegen in dem ebenfalls frühen, 1860 entstandenen Selbstbildnis (Kat.-Nr.: 28) zu realisieren, das von allen, die das Lebenswerk Székelys würdigten, für ein herausragendes, einzigartiges Bild von Rembrandtscher Tiefe gehalten wird, einige erwähnen es sogar als das erfolgreichste und großartigste Werk seines ganzen Ceuvres. Das Selbstbildnis ist zweifellos in seiner unmittelbaren Einfachheit und in der Tiefe seiner poetischen Inspiration ein besonderes Kunstwerk, doch dürfen wir nicht außer acht lassen, daß die Eigenheiten der Kunstgattung Selbstbildnis auch mehr Möglichkeiten für eme tiefgehende Darstellung des Menschen bietet, denn über sich selbst besitzt der Maler eingehendere Kenntnisse als ihm bei irgendeinem seiner Modelle zur Verfügung stehen. Aus diesem Grunde ist das Selbstbildnis originell und unwiederholbar. Die hohe Einheit von rationeller, unbeschönigter Betrachtung und Idealisierung zeigt sich aber auch bei anderen Porträts aus seinem Lebenswerk. Die ungeschminkte Einfachheit des Rothaarigen Mädchens (Frauenbildnis) paart sich mit romantischer Inspiration (Kat.-Nr.: 123), auf dem Bildnis der Frau Ignác Pfeffer harmonisiert der reale Blick für das Alter mit der Wiedergabe von Empfindsamkeit der menschlichen Psyche und einer leichter Resignation (Abb. 23). Bei dem Gemälde Kleiner Junge mit Butterbrot (Kat.-Nr.: 103) kommen kindliche Reinheit und aufrichtige Natürlichkeit im Verein mit einer ungezwungenen Einfachheit der Darstellung zur Geltung. Bis 1875 bekam Székely zahlreiche Porträtaufträge. Diese Bildnisse trugen anfangs zu seinem Lebensunterhalt bei, später waren sie eher Gradmesser seiner Beliebtheit. Unter den Auftragsbildnissen waren seinerzeit auch mehrere, die er nicht für Behörden und Institutionen, sondern für Privatpersonen malte. Einen Teil der Aufträge erhielt er aus Freundschaft oder Hilfsbereitschaft. In seiner Autobiographie erwähnt Székely, daß ihm Baron József Eötvös Porträtaufträge versprochen habe, wenn er von München nach Ungarn zurückkäme: „... 1862 kehrte ich aufgrund verschiedener Zusagen nach Pest zurück, wo ich mehrere Bildnisse malen sollte. Doch diese Versprechen wurden nicht eingelöst. Durch das Interesse von Pál Rosti erhielt ich dann aber doch einige ..." yl So erfüllten sich zwar nicht seine Hoffnungen in bezug auf die Zahl der Auftraggeber, doch malte er auf jeden Fall in institutionellem und auch im privaten Auftrag mehrere Bildnisse von Eötvös. 92 Die persönlich gehaltenen Bildnisse von József Eötvös und seiner Frau Ágnes Rosty entstanden vermutlich in direktem oder Familienauftrag, ebenso wie das Bildnis von Pál Rosty, dem Schwager von Eötvös, das trotz seines repräsentativen Charakters eine zarte, intime, lyrische Betrachtung erkennen läßt (Kat.-Nr.: 44). Die romantische Inspiration und der lyrisch-melancholische Charakter der Tongebung beim Bildnis des Pál Rosty zeigen verwandte Züge mit dem 1858 als Kupferstich entstandenen Bildnis des Julius Allgeyer von Anselm Feuerbach (Abb. 24). Beweise seiner intuitiven Fähigkeit und psychischen Empfindsamkeit meinen wir in den sensitiven Bildnissen seines Freundes János Greguss (Kat.-Nr.: 43) und seines Münchener Malergefährten Miklós Izsó zu entdecken. Die geheimnisvolle Kraft der Menschendarstellung wird in dem von János Dobai eingehend analysierten Bildnis des Adalbert Stifter spürbar, das Székely im Auftrag von Gusztáv Heckenast, dem ungarischen Verleger Stifters, malte 93 (Abb. 25). Székely ließ sich, um es mit seinen eigenen Worten auszudrücken, in der Bildnismalerei immer davon leiten, „den Ausdruck zu erfassen". So gelang es ihm, die repräsentative Darstellung erfolgreich mit den Spezifika der Charakterdarstellung zu verbinden. Und so vermied er, auf den Bildnissen von Frau Gusztáv Kelety, Frau Siklóssy oder Frau Rudolf Fuchs die bloße morphologische Ähnlichkeit zu einer oberflächlichen