Nagy Ildikó szerk.: Nagybánya művészete, Kiállítás a nagybányai művésztelep alapításának 100. évfordulója alkalmából (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 1996/1)
Szücs György: Nagybánya - változó időben
Nagybánya im Wandel der Zeit GYÖRGY SZÜCS / Hundert Jahre nach der Gründung der 0 Künstlerkolonie von Nagybánya stellt sich um so dringender die Aufgabe, möglichst exakt das Wesen jener Erscheinungsgruppe zu erfassen, die im alltäglichen wie im professionellen Dialog in selbstverständlicher Evidenz einfach als „Nagybánya" bezeichnet wird. Zum einen sind uns, so mag es erscheinen, alle wesentlichen Elemente der Geschichte längst bekannt, denn manchmal können zehn Jahre vergehen, ohne daß auch nur eine Aussage über Nagybánya gemacht würde, die Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt und zugleich zum Weiterdenken inspiriert, zum anderen weist das „Untertauchen" der Forscher im Meer der Dokumente darauf hin, daß unser Wissen bruchstückhaft und ungleichmäßig ist und auf dem Variieren einer beschränkten Zahl von Quellen beruht. Nicht zufällig habe ich den Ausdruck Erscheinungsgruppe benutzt; den mit Nagybánya verbundenen und bekannter Weise weitverzweigten Problemkreis sollte man nämlich m. E. gleich von Anfang an als ein dynamisches, ein zeitlich (geschichtlich) „durchtränktes" Modell betrachten. Als Leitfaden dafür könnte man Huizingas, von ihm selbst befolgtes, Prinzip einer guten Definition heranziehen: „Eine gute Definition soll bündig sein, das heißt sie soll in möglichster Knappheit der Ausdrücke den Begriff genau und vollständig festlegen. Die Definition umschreibt die Bedeutung eines bestimmten Wortes, die zur Bezeichnung einer bestimmten Erscheinung dient. In der Definition muß die gesamte Erscheinung eingeschlossen, mit inbegriffen sein. Fallen wesentliche Teile von ihr aus der Definition heraus, dann hapert's mit ihr. Hingegen braucht die Definition keine Rechenschaft zu geben über das Detail."i Die Erforschung der „Nagybányaer Kunst" ging bis jetzt von einem linearen sowie einem stammbaumähnlichen, statischen Modell aus. Die im ersten Fall zur Geltung kommende Auffassung gliedert die Ereignisse, auf die jeweilige aktuelle Progression reagierend, entlang der Achse München (Voraussetzung) - Nagybánya (Synthese) - Paris (Impulse) - Budapest (Post-Nagybánya), die zweite Methode leitet, wenngleich sie den Verzweigungen sorgfältiger nachgeht, alles von Nagybánya ab. Der Tatsache hingegen, daß die „überholten" Richtungen auch später nicht verschwinden, daß die Vertreter der älteren Generation parallel mit den jeweiligen jüngeren wirken, wird weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Den Namen der bestimmenden Persönlichkeiten, z. B. János Thorma, wird schnell das konkrete Stadium der „Entwicklung" zugeordnet, und der einmal erworbene Ruhm überzieht mit seinem Glanz das ganze Lebenswerk, unbeachtet dessen, welches Niveau die einzelnen Phasen des Lebenswerks tatsächlich repräsentieren. Zum anderen begegnen wir „eingeengten" Lebenswerken, die vom Schaffen des Künstlers vor bzw. nach Nagybánya keine Kenntnis nehmen. Die Geschichte von Nagybánya ergibt sich somit aus der Überlagerung von mindestens drei Schichten, aus der der Biographien, der fertigen Werke sowie der schriftlichen Dokumente. In der hie und da dünneren, an anderen Stellen weniger durchsichtigen Struktur dieses Geflechts zeichnen sich dann die Verdichtungsstellen, die Schnittpunkte der das Ganze bestimmenden, wesentlichen Fäden ab. Die Gliederung des Quellenmaterials wird durch das historische Erbe erschwert, das die Forscher dazu „verpflichtet", alles für die internationale Anerkennung der ungarischen Kunst zu tun. Diese von Voreingenommenheiten bei weitem nicht freie Anschauung wird wie von einem Schatten durch jene, nicht weniger einseitige, Auffassung begleitet, nach deren Ausgangsthese die Peripherie, d. i. der osteuropäische Raum im Vergleich zum sich ideal entwickelnden Zentrum eine autonome Kunst zustande zu bringen überhaupt nicht fähig ist, seine Kunst kann nur als ein Anhang zur Entwicklung der westeuropäischen Kunst Gültigkeit haben. Der Roman Auf neuem Pfad von Béla Lázár (1909) läßt sich als die Synthese dieser beiden Auffassungen, als ihre symbolische Darstellung, als Abdruck jenes historischen Gewissenskampfes beschreiben, welches das Gleichgewicht zwischen realer Chance und Idealbild sucht. Die Mehrzahl der Figuren kann man hinter den Pseudonymen erkennen (Fülöp László, Pál Szinyei Merse, József Rippl-Rónai usw.), andere Künstler (z. B. Mihály Munkácsy) werden mit dem wirklichen Namen genannt, die Hauptfigur Ákos Sándorffy jedoch repräsentiert jenen Künstlertyp, der nicht nur dazu