Török Gyöngyi: Gothische Tafelbilder und Holzskulpturen in UngaGothische Tafelbilder und Holzskulpturen in Ungarn, Führer durch die Dauerausstellung der Ungarischen Nationalgalerie (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2005/4)

Erdgeschoß - Säle 1-5

Im zweiten Saal sind die Skulpturen des Weichen Stils vom Beginn des 15. Jahrhunderts ausgestellt. Unter diesen ragen die zwischen 1410 und 1420 ausgeführten Figuren der heiligen Katharina und Dorothea aus Barka hervor. Sie sind gekennzeichnet durch die flache Bearbeitung des auf dem Oberkörper eng anliegenden, mit einer Schnalle zusammengehaltenen Mantels, durch die von den Armen herabfallenden seitlichen Röhrenfalten und die weich zurückgeschlagenen Draperien am Boden. Die plastische Gestaltung der Gesichter, ihr lyrischer Ausdruck zeigt zwar den Einfluß der Schonen Madonnen, aber die beiden weiblichen Heiligen aus Barka verfügen im Gegensatz zum idealisierten Typ der weiblichen Heiligen über ungewöhnliche individuelle Ausdruckskraft. Mit der Katharinenfigur aus Barka, dem Pendant zur hl. Dorothea, gelang der Sammlung „Alte ungarische Kunst" 1999 die bedeutendste Neuerwerbung der letzten Jahre. Die sog. Zweite Madonna aus Toppertz ist eine charakteristische Vertreterin des Typus der Schönen Madonnen der Zeit um 1420, Diese lieblichen Marien, die mit ihrem Kind spielen, sind als die unmittelbaren Vorläufer der Schreinfiguren anzusehen. Es war nicht die Kunstgeschichte, die das Attribut ..Schön" im Zusammenhang mit den Madonnenstatuen zuerst gebrauchte, vielmehr betonte das theologische Schrifttum an der Wende vom 14. zum 15, Jahrhundert die Harmonie der seelischen und körperlichen Schönheit der Jungfrau Maria. Der Apfel des Sündenfalls ist ebenfalls Träger einer wichtigen theologischen Bedeutung, er läßt Maria als „Neue Eva" erscheinen. Die ..Maria Gravida" aus Güssing. um 1410 gemalt, stammt aus dem westlichen Grenzgebiet des Landes, daher ist es kein Zufall, daß ihr Stil Verwandtschaft mit der Wiener Malerei des Weichen Stils aufweist. Die ursprünglich querformatige Tafel wurde an der linken Seite beschnitten, wie unter anderem die Reste eines Engelsflügel beweisen, und gehörte zu einem größeren Marienaltar. Die Ikonographie des Bildes wurde schon früher als ein Bruchstück der Darstellung des .Josephszweifels" bestimmt. Diese Bestimmung konnte 1993 aufgrund der Infrarotaufnahme weiter präzisiert werden: Unter dem blauen Kleid der Maria ist nämlich m einer doppelten Mandorla das Jesuskind mit dem Kreuz zu sehen. Entsprechend der Unterzeichnung wurde dies auch auf das Gewand der Maria gemall, was jedoch durch die barocke Übermalung verschwand.

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