Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

Das Leben und die Kunst von László Mednyánszky, mit besonderer Rücksicht auf die Periode vor - Zsuzsanna Bakó: Auf den Wegen Verstoßener herumirrend. Gedanken über die unkonventionelle Porträtmalerei von László Mednyánszky

sich selbst verlieren könnte." 32 In der Lebensführung von Mednyánszky sind die masochistischen Züge ziemlich eindeutig vertreten, denn er suchte das Leid und identifizierte sich mit der Lebensführung seiner Modelle (aus dem Landstreichermilieu), zugleich manifestieren sich in seinen figürlichen Kompositionen auch sadistische Elemente. Das erlösende Medium der Kunst bot ihm die Gelegenheit, seine Wut, seinen Zorn, seine Rachgier oder seine Machtlosigkeit aufzulösen. Die Bilder von Mednyánszky konfrontierten die Gesellschaft seiner Zeit mit den ungelösten Problemen und lösten dadurch unangenehme Gefühle und Schuldbewusstsein aus. Einmal stellte ihm der Galeriebesitzer Henrik Tamás die Frage, was im Flur seines Ateliers die vielen Landstreicher suchten, worauf der Maler antwortete: „Schauen Sie mal, Tamás, diese Menschen sind die unglücklichsten der Gesellschaft, einst begingen sie irgendeine Sünde, kamen ins Gefängnis und nun freigelassen, können sie keine Arbeit finden. [...] Sie können sich nicht bessern, so sehr sie auch wollen, denn in dieser Angelegenheit kennt die Gesellschaft kein Erbarmen und stößt sie unerbittlich zurück auf den Weg der Sünde. [...] Am traurigsten ist, dass niemand von ihnen wissen will, obwohl es auch solche geben sollte, die diesen unglücklichen Miserablen helfen." 33 Die Gesellschaft reagierte oft mit Ablehnung auf diese „unannehmlichen" Bilder: „ein Kunstwerk mag als ungenießbar, ja als abstoßend erscheinen, weil es ein Angstgefühl oder ein Schuldbewusstsein im Betrachter erzeugt, [...] schließ­lich weil der Künstler die Tatsache, dass die Welt um uns in Trümmern liegt, und das Gefühl, dass wir an ihrer Zerstörung nicht ganz unschuldig sein mögen, eher betont als vertuscht." 34 Die Fragestellung, ob Mednyánszkys Landstreicher-Darstellungen eine Formulierung seiner Gesellschaftskritik sind, ist sinnlos. Nach ihrer Entstehung sind sie zu „selbständigem Leben" erwacht, und obwohl ihre Entstehung auch auf viel kompliziertere psychische Gründe zurückzuführen ist, war ihre Wirkung erschütternder als jede frühere Kritik. Zum Teil wohl deswegen, weil der Künstler - um die Worte Ernő Kállais zu zitieren - in seinen Werken die Realität, die Wirklichkeit auf eine „psychosuggestive Weise" darzustellen vermochte, und gerade deshalb streng genommen in keine Stilkategorie paßt. 35 Infolge der psychologischen, psychotischen Elemente weist seine Porträtmalerei mit der von Csontváry und Gulácsy eine gewisse Verwandtschaft auf, doch wegen der emotionalen Ähnlichkeit steht sie auch den von Adolf Fényes dargestellten armen Leuten, den vom Schicksal geprüften Bauern von József Koszta und János Tornyai oder den im Ersten Weltkrieg entstandenen ganzfigurigen Bauernporträts von Gyula Rudnay nahe. Hinsichtlich der Determination seines Stils mag vielleicht ein Gedanke von Friedrich Nietzsche am ehesten zutreffen: „Der Wille zum Verewigen bedarf gleichfalls einer zweifachen Interpretation. Er kann einmal aus Dankbarkeit und Liebe kommen [...] Er kann aber auch jener tyrannische Wille eines Schwerleidenden, Kämpfenden, Torturirten sein, welcher das Persönlichste, Einzelnste, Engste, die eigentliche Idiosynkrasie seines Leidens noch zum verbindlichen Gesetz und Zwang stempeln möchte und der an allen Dingen gleichsam Rache nimmt, dadurch, dass er ihnen sein Bild, das Bild seiner Tortur, aufdrückt, einzwängt, einbrennt. Letzteres ist der romantische Pessimismus in seiner ausdrucksvollsten Form, sei es als Schopenhauer'sche Willens-Philosophie, sei es als Wagner'sche Musik und der romantische Pessimismus, das letzte grosse Ereignis im Schicksal unserer Cultur." 36 Diese pessimistische, romantische und zugleich auch „psychosuggestive" Sehweise machte Mednyánszky zum wahren „Kind" des 20. Jahrhunderts, der die tragischen Ereignisse des Jahrhunderts, die später in Erfüllung gehen sollten, mit der Genialität eines Propheten erahnte. ANMERKUNGEN 1 Krúdy, Gyula: A „Bolond Mednyánszky", a csavargók patrónusa. [Mednyánszky, „der Narr", Schutzherr der Landstreicher] (1925). Nachgedruckt in: Enigma, No 34, 2002. 81-82. 2 Ebd. 79-80. 3 Mednyánszky László naplója (Szemelvények) [Tagebuch von László Mednyánszky (Auszüge)]. Hrsg. u. mit Vorw. u. Anm. vers. v. Ilona Brestyánszky. Budapest 1960. 38. 4 Ebd. 47. - 1896-1897 Paris. 5 In der Slowakischen Nationalgalerie wird ferner das Porträt der Gräfin Nyáry (Portrét grófky Nyáry) aufbewahrt (Öl auf Leinwand, 42 x 31 cm,. SNG, Inv.-Nr. O 966). Ebenso: Am Fenster. Kranke Frau im Sessel (Kat. 335). 6 Das Porträt des Schwagers István Czóbel (Portrét svagra Stefano Czóbela, SNG, Inv.-Nr. O 4955) 7 Seine Identifizierung mit der Person, die in Mednyánszkys Tagebüchern lediglich Jani genannt wird, wurde in Kenntnis der frühesten bekannten Aufzeichnungen von Zsófia Kiss-Szemán vorgenommen: Kiss-Szemán, Zsófia: Mednyánszky László 1877-81-es naplója és a Varjak az itatón című festmény története [Tagebücher von László Mednyánszky aus den Jahren 1877-81 und die Geschichte des Bildes Krähen auf der Tränke]. Enigma, No 24/25, 2000. 308. 8 Szemelvények Mednyánszky László korai naplójából [Auszüge aus dem frühen Tagebuch von László Mednyánszky] (1877­1881). Hrsg. u. mit Anm. vers. v. Zsófia Kiss-Szemán. Enigma, No 24/25, 2000. 317. 9 Mednyánszky László naplója (wie Anm. 3) 37. 10 Ebd. 47. 11 Ebd. 57. 12 Ebd. 40. 13 „Az önmegsemmisítés vízszintes irányában" - Válogatás Mednyánszky kiadatlan naplójegyzeteiböl [„Die Selbstvernichtung in horizontaler Richtung" - Auswahl aus unveröffentlichten Tagebuchaufzeichnungen Mednyánszkys]. Hrsg. v. István Bardoly u. Csilla Markója. Enigma, No 24/25, 2000. 86. 14 Ebd. 85. 15 Über das Shylock-Bild im Besitz der UNG (Kat. 105), siehe: Sinkó, Katalin: Aranyérmek és ezüstkoszorúk. Müvészkultusz és műpártolás Magyarországon a 19. században [Goldmedaillen und Silberkränze. Künstlerkult und Mäzenatentum im Ungarn des 19. Jahrhunderts]. Ungarische Nationalgalerie. Hrsg. v. Ildikó Nagy. Budapest 1995. III. 5. 20. 16 Czóbel Istvánné Mednyánszky, Margit: László - Brouillon (visszaemlékezés). [Rückerinnerung]. Enigma, No 24/25, 2000. 63. 17 Mednyánszky László naplója (wie Anm. 3) 33-34.

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