Markója Csilla szerk.: Mednyánszky (A Magyar Nemzeti Galéria kiadványai 2003/2)

Das Leben und die Kunst von László Mednyánszky, mit besonderer Rücksicht auf die Periode vor - Zsuzsanna Bakó: Auf den Wegen Verstoßener herumirrend. Gedanken über die unkonventionelle Porträtmalerei von László Mednyánszky

sehe Veranlagung bewegten ihn, das physisch-seelische Spießrutenlaufen fortzusetzen, und er meldete sich im Herbst 1914 zum Kriegsmaler. Bereits im Herbst desselben Jahres befand er sich schon an der russischen Front als Kriegsberichterstatter der Zeitschriften Budapesti Hírlap und Uj Idők. 25 Während der vier Kriegsjahre hielt er sich an der russischen, serbischen und italienischen Front auf und fertigte zahlreiche Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder von kämpfenden oder gefallenen Soldaten, von Bestattungen oder den in langen Reihen vorbeiziehenden Trains. Die dramatischsten seiner an der Front entstandenen Werken aber sind die porträtartigen Darstellungen von Verwundeten. Auch hier können verwandte Züge mit den Landstreicher-Bildern entdeckt werden. Im Zeichen der „Umkehrungen und Kreuzungen" „bewegt sich auf dem Bild Die Tür öffnend die gleiche Figur, die auf dem Bild Spähender Landstreicher in der Nacht mit seinen Händen hinter dem Rücken steht [...] Die Form der Figur des Bildes Die Tür öffnend wird im Krieg in einen Soldaten umwan­delt, der gerade eine Tür öffnet." 26 Dasselbe Gefühl hat man auch im Falle der Porträts. Der verbundene Arm und Kopf des Verwundeten (Kat. 271) rufen in unserer Erinnerung den Landstreicher auf dem Bild Nach der Schlägerei (Kat. 87) wach, seine Wunden sind sowohl psychisch als auch physisch schwer. Die Bewegung, mit der sich der Verwundete Soldat (Kat. 268) auf seine Knie stützt, erinnert an die matte Müdigkeit des Armseliger (Kat. 170) bzw. an das intelligente, aufmerksame Gesicht des Beim Anlehnen (Kat. 216). Sein Blick und seine Bewegung sagen uns dasselbe, was Mednyánszky zum Neujahr 1917 seiner Schwester Miri geschrieben hat: „Man hört oft vom Frieden. Ich wünsche, dieser blutige Traum würde so schnell wie möglich zu Ende gehen. Es war schon mehr als genug." 27 Schließlich verdienen auch die an der Front angefertigten Porträts, eine von den Monographen bislang überhaupt nicht behandelte Gruppe von Mednyánszkys Porträtgalerie, unsere Aufmerksamkeit. Auf den ersten Blick scheinen die Personendarstellungen völlig konventionell, in gewisser Weise sogar distanziert, denn die Erscheinung der Figuren zielt in erster Linie auf die Repräsentation ab, auf den Rang und die Position, die der Dargestellte innerhalb der Gesellschaft einnahm. Vom Künstler, dessen Landstreicherporträts beinahe einer Psychoanalyse gleichgesetzt werden können, ist diese sachliche Darstellungsweise etwas verblüffend, doch lässt Mednyánszky auch hier seine Fähigkeiten der Charakterdarstellung aufblitzen. Außer einer äußerst verein­fachten, zeichnerischen Auffassung werden die verschiedenen Menschentypen in einem beinahe sarkastischen Ton dargestellt, wie das Werk Offizier aus dem Ersten Weltkrieg (Abb. 4) oder Unbekannter Österreich-ungarischer Soldat. 2 * Gesichter und Masken, Momentaufnahmen über das offizielle Gesicht des Krieges. Will man die Untersuchungen lediglich auf die Porträtmalerei Mednyánszkys einengen, scheinen die Feststellungen der neueren Forschungen bezüglich des Paradigmawechsels vor allem auf diesem Gebiet gül­tig zu sein. 29 Es gibt kein anderes Lebenswerk in der ungarischen Malerei dieser Epoche, das ähnliche kühne Veränderungen und Umdeutungen in der Gattung des Porträts aufzeigt. Mednyánszky übernahm in seiner Porträtmalerei die traditionellen Kompositionsschemata, deutete sie gleichzeitig um, blieb jedoch innerhalb ihres Rahmens, wofür auch die instinktive, spontane Verwendung der während des Schöpfungsprozesses hochkommen­den „unbewussten Elemente" eine Rolle spielten. Indem er Freud analysiert, schreibt Arnold Hauser bezüglich der Anwesenheit der unbewussten Elemente: „Freud definiert bekanntermaßen das künstlerische Talent als eine „Flexibilität der Verdrängung", womit er sagen will, dass für den Künstler das Unterbewusste leichter zugänglich ist, und vom Unbewussten zum Bewussten ein unmittelbarerer Weg führt als für die meisten Leute. [...] Die spontanen Elemente können im großen und ganzen als unbewusst und die konventionellen als bewusst bezeichnet werden, man darf nur nicht vergessen, dass das scheinbar Spontane auf eine mehr oder weniger bewusste Art vorbereitet sein kann und dass das Konventionelle oft eine unbewusste Abwehr gegen gefährliche Triebregungen ist." 30 In Mednyánszkys Interpretation steht das Unbewusste meistens unter der Kontrolle des „Ichs", weshalb die Anspielungen darauf nicht immer offensichtlich sind, doch können in zahlreichen Fällen die aufkommenden Symptome der Depression in den Werken aufgespürt werden. 31 Darauf weisen auch die spezifischen Merkmale seiner Themenwahl hin: ein Teil seiner Frühwerke stellt Gefangene und Folterszenen dar, und die Thematik Tod und Leiden tauchen später auf seinen Kriegsbildern erneut auf. Dasselbe untermauern die verzerrten Gesichtszüge, die eigenartige Mimik, die Hervorhebung der Stimmungselemente anstatt der Darstellung von Bewegung und Handlung seiner Landstreicher. Besonders interessant ist dabei der Einsatz der Farben, in der die instinktive Empfindung mit der erzielten Ausdrucksstärke parallel verläuft, wie der Maler selbst in seinen oben erwähnten Aufzeichnungen hinsichtlich der Anwendung von rotbraunen und gelblich-grünen Farbtöne hinweist. Die von vie­len unbewussten Elementen umwobene, an Gefühlen reiche bildliche Welt Mednyánszkys, seine sonderbare und eigenartige „Porträtgalerie" sind Projektionen seiner eigenen Beklemmungen, seiner Stimmungsveränderungen, doch auch Manifestationen seiner Neigung zum gesunden Menschenideal, die zugleich als Kompensation seiner depressiven Stimmungsveränderungen gelten können. Sucht man in der Porträtmalerei Mednyánszkys nach weiteren unbewussten Elementen, kann man sie gewiss unter den Gründen der Motivation, der Anregung finden. Seine komplizierte Persönlichkeit wurde von seinen Verwandten, Freunden und Kritikern oft beschrieben: Er war eingekapselt und aufgeschlossen zugleich, mild und aggressiv, melancholisch, zurückgezogen und beliebtes Mitglied der Gesellschaft. Für einen solchen Menschen bedeutet die Kunst eine Art Erlösung, denn „die Funktion des Werkes im Leben des Künstlers ist mannigfaltig und vieldeutig; es mag die Auflösung einer unerträglichen Spannung, aber auch die Erzeugung einer Spannung bedeuten. [.. .1 Das Kunstwerk kann eine Abwehr der Furcht sein, dass man die Herrschaft über das Leben und László Mednyánszky: Offizier aus dem Ersten Weltkrieg, Papier, gemischte Technik (Wasserfarbe), 30,7 x 23,6 cm (Budapest, Museum für Militärgeschichte, Inv.-Nr.: 85.66.4)

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