Gosztonyi Ferenc - Király Erzsébet - Szücs György szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 2002-2004. 24/9 (MNG Budapest, 2005)
STUDIES - Zsuzsanna Farkas: Die Rezeption des Malers und Fotografen József Borsos (1821-1883) einst und heute
Malern durch die treffende Charakterisierung seiner Bildnisse, hauptsächlich aber durch die Kraft seiner Farben herausragte. Dieselben Merkmale sind auch für seine Genrebilder bezeichnend, die seine optimistische Seele, seine Freude an der Schönheit des Lebens, den Reichtum seines Kolorits ganz hervorragend widerspiegeln. Diese Züge erheben seine Werke über den Durchschnitt der temperierten Wiener Gemälde von vorsichtiger Farbgebung.' 1 4 Es ist nicht leicht, die Merkmale des Biedermeier in den bildenden Künsten genau zu erfassen. Gegenwärtig scheint es so, daß neue Ergebnisse nur vom Aufzeigen einiger neuer Aspekte zu erwarten sind. 5 Diese literarische und künstlerische Richtung, die ihre meist charakteristischen Zeugnisse im Kunstgewerbe, in der Möbelkunst, hervorbrachte und in deren Bezeichnung vielfach auch einen abwertenden Sinn mitklingt, sollte in ihrer historischen Entfaltung dargelegt werden. Auch in der ungarischen Kunst läßt sich der Charakter der hierher zu zählenden Werke bestimmen, indem man auf die österreichischen Parallelen Bezug nimmt. „Von Biedermeierstil ist wegen seines wählerischen, eklektischen Charakters schwer zu reden, war doch diese Richtung teils die Fortsetzung, teils die Überholung beziehungsweise die Zurücknahme oder Aufhebung der Vorangegangenen 1 ''' - schrieb der Literaturwissenschaftler Mihály Szegedy-Maszák in seiner Charakteristik der Epoche in Ungarn, wobei er andeutete, daß alle Feststellungen ihre Wahrheit haben können, je nach der Grundstellung der Interpretation. 6 Das Biedermeier wird zuweilen als gesunkene Romantik verstanden, in der das Visionäre und Prophetische einer betonten Alltäglichkeit gewichen ist. Als Kultur der Mittelklasse betont das Biedermeier den bürgerlichen nüchternen Verstand. Diese Kunst setzte sich nicht das Ziel, das Publikum zu veredeln, sie begnügte sich mit der Vermittlung schulmeisterhafter und moralischer Lehren. Man muß zugeben, daß das Biedermeier eine populäre Kultur war, die den Erwartungen des breiten Publikums in vieler Hinsicht Zugeständnisse machte, sich an die Ansprüche der Zeit anpaßte. Viele greifen diesen Stil an, bezweifeln den Gegenstand der Darstellungen, weisen ihre Rührseligkeit zurück oder stellen sie den leidenschaftlichen Gefühlen der Romantik entgegen usw. In der ungarischen Forschung ist das Thema „Biedermeier-Elemente in der ungarischen Malerei" sozusagen ein eigenes Problem. Nach einer theoretischen Begründung sollten die Charakterzüge, die Modifizierungen anhand von konkreten Beispielen nachgewiesen werden. ,JLinsichtlich der Erforschung der ungarischen Kunst könnte die Definition des Wiener Biedermeier maßgeblich sein, schon aus dem Grunde, weil die ungarischen Künstler der Zeit überwiegend an der Wiener Kunstakademie ausgebildet wurden. Aber auch die österreichische Forschung bemühte sich bislang nicht darum, das Biedermeier als einen selbständigen Stilbegriff zu bestimmen, sondern betrachtet eine Zeitspanne, die Jahre zwischen 1813 und 1848 bzw. deren kulturelle Erscheinungen in ihrer Gesamtheit als Biedermeier. In dieser Kategorie ist auch die Malerei der Epoche mit einbegriffen, die von den zeitgleichen Kunstströmungen wie der Klassizismus, die Romantik und die realistischen Bestrebungen gleichfalls beeinflußt wurde. Trotzdem wird das Biedermeier als eine Richtung, die von der Denkweise und dem Geist von gewissen gesellschaftlichen Schichten, dem Bürgertum und einem Teil des Adels bestimmt wurde."- faßte Eszter Krisztina Aczél ihre österreichischen Forschungen zusammen. 7 Eine Analyse der Jahrhunderte übergreifenden Stilwandlungen der Wiener Kunstakademie könnte die ungarischen Forschungen offensichtlich weiter nuancieren. Die Lebensgeschichte von József Borsos gliedert sich in zwei selbständige, je zwanzigjährige Perioden. Die ersten zwanzig Jahre verbrachte er in Wien, wo sich seine Kunst entfaltete. Er war in der Kaiserstadt sehr beliebt, „derfesche Borsos" galt als ein Typus der Männerschönheit. Die zweiten zwanzig Jahre begannen mit seiner Übersiedlung nach Pest. Ab 1861 trat seine Tätigkeit als Fotograf in den Vordergrund, seine letzten fünf Lebensjahre verbrachte er zurückgezogen in den Budaer Bergen in seiner Pansion zur Schönen Schäferin, dort starb er vom Fach der Künstler völlig vergessen. ,JEs mutet wie Kleingläubigkeit an, daß Barabás den Kampf aufgab. Aber warum hätte er auch kämpfen sollen? Seine Verzweiflung wurde durch den Verlust seiner Popularität noch gesteigert, er rang darum bis zum letzten Atemzug. Borsos streckte von sich aus die Waffen, mit denen er — wie er glaubte — nichts erreichen konnte." - schrieb etwas zynisch Jenő Kopp, denn die wahren Gründe, warum er sich von der Malerei zurückzog, sind nicht bekannt. 8 József Borsos wurde 1821 in Veszprém geboren. Seine Mutter war Catae Leeb, sein Vater Márton Borsos (1796-1876), ein gebildeter Bürger, der in den dreißiger Jahren als Journalist tätig war; er war Redakteur der Blätter Ismertető und dann Rajzolatok. Später war er Inhaber und Herausgeber von Zeitungen, zwischen 1841 und 1844 der Világ, zwischen 1844 und 1848 der Budapesti Híradó. Die Stimmung dieser Periode wird bei Baron Ivor Kaas plastisch beschrieben: Ruhmreiche vierziger Jahre, die Jahre der nationalen Erlösung, als das Genie eines ganzen Jahrhunderts in einer einzigen Generation verdichtet in Erscheinung trat, und sich zugleich große Männer in allen Bereichen meldeten. Staatsmänner, Dichter, Redner, Schriftsteller, Feldherren, Künstler traten in Ungarn auf den Plan, wie im Frühling Blumen und Bäume, Singvögel und Adler gemeinsam den warmen Tag loben [...] Die bildende Kunst Ungarns blühte in den vierziger Jahren plötzlich auf f...] Langsam stieg auch die Zahl der ungarischen Maler." 9