Nagy Ildikó szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 1992-1996 (MNG Budapest, 1998)
BUZÁSI, Enikő: EINIGE KAPITEL AUS DEM LEBENSWERK DES BILDNISMALERS ÁDÁM MÁNYOKI - Die Lernjahre und der Beginn der küntlerischen Laufbahn (1692-1702)
Gestaltung und sein Hang zur Detailfreudigkeit, die sich während seiner gesamten Laufbahn beobachten lassen, bewahren ebenfalls unverkennbar ihren Ursprung, die intimen Formen und Lösungen des holländischen bürgerlichen Bildnisses. Wieweit Mányoki die malerischen Anregungen der beschaulichen Welt der holländischen Maler eine Generation vor ihm aufnahm und bewahrte, davon zeugt ein Werk, das - man weiß nicht genau, um wieviel nach seiner Zeit in Salzdahlum - im Jahr 1702, vermutlich bereits auf dem nächsten Schauplatz seines Wirkens, in Hamburg entstand. Das seit Jahrzehnten verschollene, vor kurzem wieder zum Vorschein gekommene Bildnis des Michael Berthold de Gileno ist bis heute das erste signierte und datierte Stück des Lebenswerkes (Kat. Nr. 3). Die Bildnisminiatur wurzelt zweifelsohne in der Tradition der holländischen „Feinmalerei". Diese „Einfühlung" in einen etwa ein halbes Jahrhundert alten malerischen Geschmack bedeutet bei Mányoki nicht nur die Anpassung an eine Technik, eine Identifizierung damit. Die kleinteilige, etwas grätige Pinselzeichnung und die sorgsame Gestaltung der Details an dieser Miniatur Berthold de Gilenos dient vielmehr dazu, die zum Vorbild genommene intime Welt der Bilder von Gerard Dou heraufzubeschwören und in seine Komposition hinüberzuretten. Zu jener Welt gehörte in der Regel ein intimes Interieur, ein beschauliches gegenständliches Milieu, die - sonst bei Mányoki kaum wiederzufinden - hier andeutungsweise zugegen ist. Michael Berthold de Gileno sitzt in einem Armstuhl, und das zeichenhaft eingesetzte Bild (oder ein Spiegel?) hinter ihm schafft aus dem Bildraum ein „Interieur". Das Motiv der nach vorn weisenden Hand setzt die Kenntnis von Lösungen wie das Selbstbildnis Dous aus den 50er Jahren voraus. 89 Nicht nur der sorgsame, gestraffte Bildaufbau, die abgerundeten kleinen Formen rücken dieses Bildnis in die Nähe der Arbeiten der „Feinmaler" der ersten Generation, sondern auch die warmen Töne und die Verwendung einer gelblichbraunen Lasur. Ob das Bildnis Berthold de Gilenos nur eine gelegentliche „Abschweifung in die Vergangenheit" war, läßt sich beim Fehlen von dazwischenliegenden oder etwa gleichaltrigen Werken nicht beurteilen. Soviel steht jedenfalls fest, daß die konservativen formalen und technischen Lösungen des Bildnisses Berthold de Gilenos nicht im Miniaturformat lagen. Die nur etwas spätere andere Bildnisminiatur Mányokis, das 1704 datierte Bildnis der Prinzessin Sobieska (Kat. Nr. 4), weist die leichte Malweise seiner großformatigen Bilder, und in der Komposition deren betont zeitgemäße „französische" Eleganz auf, zeigt hingegen mit dem kleinen Bild von 1702 keinerlei Verbindung oder Ähnlichkeit, weder in der Malweise noch in der Auffassung. Die gattungsmäßige Verwandtschaft der beiden Bilder hilft jedenfalls - trotz der geringen Zahl der Frühwerke - die gleichzeitige Neigung Mányokis zu den beiden ziemlich stark voneinander abweichenden Anschauungsweisen erkennen, die sich einerseits in einem „bürgerlichen" Geschmack im Sinne des 17. Jahrhunderts, andererseits in der gewandelten, zunehmend „höfischen" Formensprache der Bildnismalerei bestimmen lassen. Darin manifestiert sich die zweifache Anregung, die einerseits durch den Charakter der Galerie von Salzdahlum (die entsprechend dem Interesse des Sammlers vorwiegend aus holländischen und niederländischen Werken bestand) gegeben war, andererseits aus dem - von Hagedorn dokumentierten - Interesse für die zeitgemäßen Lösungen der französischen Bildnismalerei hervorging. Die deutlich unterschiedlichen Stilpräferenzen Mányokis sind aus dieser stilistischen Zwiefalt erwachsen und haben sich so weit gefestigt, daß sie nicht nur für diese frühe Periode seiner Malerei, sondern - wie die wechselnde Stilorientierung seiner späteren Werke erkennen läßt auch für den weiteren Verlauf seiner Tätigkeit maßgeblich blieb. Zur Gründlichkeit des Kleinmeisters und zu dem Engagement für die Technik der „Feinmalerei", die für sein Schaffen bis zuletzt bezeichnend bleiben sollten, kam nun der Anspruch auf Eleganz in der Komposition und in der Behandlung der Details hinzu. Es ist vielleicht nicht zu gewagt, wenn ich behaupte, daß die auffassungsmäßige und stilistische Beweglichkeit Mányokis in höherem Maße - und mit erheblich nachhaltigeren Konsequenzen - von der Kopierung (im übrigen eine allgemeine und übliche Art der Sammlung von Erfahrungen) geprägt wurde, als es bei so manchen seiner Zeitgenossen von festerer Malerpersönlichkeit und selbständigerer Anschauungsweise der Fall war. Mangels eines maßgeblichen, als Vorbild zu befolgenden Meisters gelangte Mányoki wohl mit seinen durch Kopieren erworbenen Fertigkeiten zur gleichzeitigen Akzeptierung der Auffassungsweise verschiedener Schulen, zur Aneignung unterschiedlicher Lösungsmöglichkeiten einer gegebenen Aufgabe und - wie dies für seine gesamte Laufbahn bezeichnend bleiben sollte - zu deren wechselweiser Anwendung.