Nagy Ildikó szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve 1989-1991 (MNG Budapest, 1993)

In memoriam István Petrás (Ildikó Nagy)

In memóriám ISTVÁN PETRAS Wir redeten ihn alle mit Meister an, wie Kunststudenten ihre Künstler-Professoren. Er war ein unübertrefflicher Künstler seines Metiers, er fotografierte Kunstwerke. Ein Originalfoto von Meister Petras zählt heutzutage bereits zu den Kunstwerken. Er wurde am 31. Januar 1904 in Pécs, in einer Beamtenfamilie geboren. Nach dem Abitur im Budapester Gymnasium Ferenc Toldy im Jahr 1922 ist er Chefbuchhalter bei der Hermes Bank AG geworden. Sein eigentliches Interesse galt dem Fotografieren, er verwendete seine ganze Freizeit darauf, damals machte er nur Landschaftsfotos. Nach einem Jahr quittierte er seine Stellung und wurde Fotolaborant im Atelier von Géza Szakái. In zwei Jahren Arbeit eignete er sich alles an, was in der Laborarbeit zu erfahren war. Ein halbes Jahr arbeitete er bei der Firma HAFA (Hacsek & Farkas), dann trat in den Dienst der Ungarischen Nachrichtenagentur MTI. Er fotografierte Landschaften, Stadtansichten, Institutionen, Gebäude und Brücken für die Abteilung Pressepropaganda. Seine Aufnahmen kamen als Propagandamaterial nach allen Erdteilen. Ähnlich weite Verbreitung fanden auch seine Postkarten. Er nahm Landschaften auf Glasplatten von 10x15 cm auf und ordnete sie zu Folgen von je 42 Stück. Die Kopien wurden in Dresden hergestellt, die Karten waren also Originalfotos und keine Druckerzeugnisse. Zu Propagandazwecken fotografierte er die Bestände des Christlichen Museums von Esztergom. Als Elek Petrovics, der Direktor des Museums der Bildenden Künste, diese Gemäldereproduktionen kennenlernte, schloß er 1926 mit ihm einen Vertrag zur fotografischen Erschließung der Kunstwerke des Museums. Petras machte auch die Aufnahmen für die Ausstellungskataloge. Dadurch nahm sein Leben und seine Laufbahn eine radikale Wende. Aus der Welt der Presse kam er in Künstlerkreise und wurde in den Bann der Kunst gezogen. So fand er eine Aufgabe und ein Ziel fürs Leben. Im Laufe seiner Arbeit kam er mit ausgezeichneten Künstlern der Zeit in Kontakt, mit vielen schloß er auch Freundschaft. Seit 1948 bereiste er als Mitarbeiter des Landesausschusses für Denkmalschutz ganz Ungarn und fotografierte Baudenkmäler. Damals machte er unter anderen seine Aufnahmen von den Grabungsfunden der Burg Buda und von den Fresken Maulbertschs in Sümeg. Später war er Mitarbeiter des Museums der Bildenden Künste und schließlich der Ungarischen Nationalgalerie, von wo er 1980 in den Ruhestand trat. Er blieb aber auch danach aktiv, hatte Aufträge — hauptsächlich für den Corvina Verlag — bis zu seinem Tod am 30. Januar 1990. Seine Liebe zu den Kunstwerken und sein angeborener Geschmack wurden von vorzüglichen Kunsthistorikern, unter anderen von István Genthon geformt. Genthon suggerierte ihm eine Betrachtungsweise, die in der Einstellung des Kunstwerks Harmonie und stille Ruhe anstrebte, dramatische Leidenschaften und Gefühlsausbrüche waren ihm völlig fremd. Deshalb konnte er die Plastiken von Béni Ferenczy so wunderbar fotografieren, der ihm menschlich wie künstlerisch nahestand. Petras ließ sich von der maximalen Hochachtung vor dem Kunstwerk leiten, individuelles „Künstlertum" beim Fotografieren war für ihn unvorstellbar. Seine Aufnahmen sind unvoreingenommene Objektfotos, in denen das Kunstwerk in seiner vollen Realität, auch als Materie zur Geltung kommt: das angegriffene Steinmaterial mittelalterlicher Plastiken, die poröse Oberfläche von alten Münzen, die glatte Oberfläche moderner Bronzen genauso wie die reichen Farbtöne von Gemälden. Für Farbfotos hatte er kein Interesse, er arbeitete nur in Schwarzweiß. Besonders meisterhaft waren seine Aufnahmen von Plastiken. Er wußte, daß „Licht Formen gestaltet aber auch Formen verschwinden läßt", daher arbeitete er tagelang an der Einstellung einer Plastik, bis er die optimale Einstellung und Beleuchtung herausfand. Er war aber nicht nur auf die Raumwirkung, auf das Körperhafte der Plastiken bedacht, er wußte ganz genau, daß sie auf mehrere Ansichten komponiert sind. Wir verdanken ihm die schönsten Bildhauer-Alben (Fülöp Beck Ö., Dezső Bokros Birman, Béni Ferenczy). Er fotografierte fast sechs Jahrzehnte lang Kunstwerke. Zahlreiche verschollene Werke sind nur mehr durch seine Aufnahmen bekannt. Neben dem Fotografieren hatte er eine Vorliebe für Musik, er besaß eine reiche Plattensammlung. Er hat so manche Kollegen unterwiesen, aber einen echten Schüler oder Nachfolger hat er im Bereich des Kunstwerkfotos nicht. Angeblich wußte er einen Trick in der Laborarbeit, ein spezielles Verfahren, das sein Geheimnis blieb, deshalb ist niemand imstande, von seinen Negativen so gute Kopien zu verfertigen wie er. Ich vermute, daß dieser Trick, sein Geheimnis, in der Liebe und in der Geduld bestand. Ildikó Nagy

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