Takács Imre – Buzási Enikő – Jávor Anna – Mikó Árpád szerk.: A Magyar Nemzeti Galéria Évkönyve, Művészettörténeti tanulmányok Mojzer Miklós hatvanadik születésnapjára (MNG Budapest, 1991)
PÖTZL-MALIKOVA, Maria: Die typologischen Wurzeln der Prager Pieta Georg Raphael Donners aus dem Jahre 1721
DIE T YPOLO GIS CHEN WURZELN DER PRAGER PIETÀ GEORG RAPHAEL DONNERS AUS DEM JAHRE 1721 MARIA PÖTZL-MALIKOVA Unsere Kenntnisse über die Lehrzeit und die ersten Schaffensjahre Georg Raphael Donners haben sich seit den ersten Monographien des Künstlers von J. E. Schlager und A Hg vor mehr als hundert Jahren 1 nicht wesentlich erweitert. Viele grundsätzliche Fragen, die seinen Werdegang betreffen, sind damit offen geblieben, unter ihnen auch die nach wie vor ungelöste Frage eventueller Studienreisen nach Italien oder nach Frankreich. Ein Umstand, der die Forschungsarbeit erschwert, ist auch das Fehlen von frühen Werken Donners. Nachdem Claudia MauéDiemer die beiden Bronzemedaillons des Gundacker Graf Athann und des Johann Graf Pálffy in der österreichischen Galerie, die lange Jahre als Jugendwerke Donners gegolten hatten, überzeugend Balthasar Ferdinand Moll zuschrieb, 2 kennen wir vorläufig nur ein einziges gesichertes Werk, das in Donners ersten selbständigen Wiener Jahren, noch vor seiner Übersiedlung nach Salzburg entstanden ist. Est ist eine 41 cm hohe, vom Künstler signierte und mit dem Jahr 1721 datierte Pietà aus Terrakotta, die sich vor dem I. Weltkrieg in Duchcov (Dux) in Nordwestböhmen im Waldstein-Schloß befand, später in ein weiteres Schloß dieser Familie nach Mnichovo HradiStö (Münchengrätz) kam und erst 1933 von E. W. Braun publiziert wurde. 3 Heute befindet sich dieses Werk in der Nationalgalerie in Prag. 4 Das Material - Terrakotta - deutet darauf hin, daß es sich wahrscheinlich um einen Entwurf für ein nicht ausgeführtes, oder bisher verschollenes größeres Werk handelt. Dem widerspricht aber das Fehlen von Merkmalen der Unfertigkeit und Skizzenhaftigkeit, sowie die einheitliche dunkle Bemalung. Es ist daher entweder ein endgültiges Produkt, oder ein ausgereiftes, für die Präsentation vor dem Auftraggeber bestimmtes Modell für eine Gruppe, die in Metall gegossen werden sollte und daher mit dunklem Anstrich versehen war. Schon in diesem Frühwerk geht Donner auf bewußte Distanz zu seinem Lehrer Giuliani, auch wenn andererseits Gemeinsamkeiten nicht zu übersehen sind und sich nicht nur auf das von Giuliani so gerne verwendete Material beschränken. Eines der Merkmale, die den Meister und seinen ehemaligen Schüler verbinden, ist die weich fließende Draperie, nur verliert sie bei Donner schon viel an Plastizität und Schwung, zugunsten der Körperlichkeit der Figuren. Einer der auffallendsten Unterschiede ist die Komposition. Während Giuliani in seiner bisher einzigen bekannten Pietà aus dem Jahre 1741 eine sehr gängige Darstellung gewählt hatte, die sowohl in seiner venezianischen Heimat, als auch nördlich der Apen verbreitet war, fällt bei Donners Frühwerk gerade die Unüblichkeit seiner Gestaltung auf, für die man in der ganzen Geschichte dieses traditionsreichen Themas wenig vergleichbares finden kann. Der ungewohnte, betont vertikale Aufbau der Gruppe und die labile Haltung des Körpers Christi hat bereits mehrere Autoren dazu veranlaßt, auf Michelangelos Pietà-Darstellungen hinzuweisen, oder ähnliche Kompositionen in Umkreis seiner Nachfolger zu suchen. 6 Die Entwicklungsgeschichte dieses Pietà-Typus ist aber viel älter, sie reicht bis in das Mittelalter zurück Damals entstand neben dem Vesperbild, d. h. einer „Compassio Matris", das wohl deutschen Ursprungs ist, im französisch-flandrischen Kulturkreis auch eine „Compassio Patris". In den zeitgenössichen Quellen, wo sie seit dem 14. Jahrhundert erwähnt wird, ist sie als „Pitie-de-Nostre-Seigneur", oder, in Flandern, als „Nood Gods" (Not Gottes) bezeichnet. 7 Diese Darstellung ist nicht mit dem ebenfalls im Mittelalter entstandenen sog. Gnadenstuhl identisch, drückt aber, gleich diesem, auch den Gedanken der Trinität aus; die Täube des Hl. Geistes ist hier immer zu sehen, aber als ein sehr untergeordnetes Motiv. Die Komposition variiert nur sehr wenig. Fast immer ist es ein frontal stehender oder thronender Gottvater, der vor sich den seitlich geneigten, toten Christus hält. Die Szene ist meist umgeben von Engeln, die die Arme Christi halten, oder hinter dem Thron Gottes eine Draperie ausbreiten. Sehr selten erscheinen neben der Hauptgruppe auch Maria und Johannes als Klagefiguren. Im Unterschied zum traditionellen Vesperbild, wo Christus im Schoß der Mutter sitzt oder liegt, „hängt" er hier mit eingeknickten Beinen in den Armen des Vaters, ohne festen Boden unter den Füßen zu haben, quasi im luftleeren Raum. Die beiden Compassio-Darstellungen haben sich im Mittelalter typologisch nur wenig beeinflußt. 8 Erst im Werk Michelangelos kommt es zu einem Übergreifen des Not-Gottes-Typus auf die Pietà-Darstellugen. Es ist wohl eine bewußte persönliche Entscheidung des Künstlers gewesen, denn die „Compassio Patris" hat sich zwar im späten Mittelalter im ganzen Gebiet nördlich der Apen und auch in Spanien verbreitet, aber gerade in Italien ist sie nicht heimisch geworden. Möglicherweise waren es graphische Blätter -